Die Frühreifen (German Edition)

zu erschweren.
    Im Innern schwammen hier und dort ein paar Boote, aber die meisten waren beim Einsturz des Dachs gesunken. Ein Friedhof von alten Barken, Tretbooten, Kanus und Surfbrettern bot sich ihrem Blick. Ein schwimmender Friedhof von Rudern, Bojen, Schwimmwesten mit Leuchtstreifen, Wimpeln, Deckeln, die vor ihrem Bug zur Seite glitten, während sie auf den hinteren Teil des verwüsteten Bootshauses zusteuerten.
    Michèle, die sehr empfindlich war – Michèle, die geglaubt hatte, daß die Art und Weise, wie sie Evy einen geblasen hatte, ein Drama ausgelöst hatte, so daß Evy sich letztlich nur damit hatte trösten können, daß er ihr eine Viertelstunde lang die Muschi wienerte, und zwar noch in der vorigen Woche –, die also sehr empfindlich und zugleich sehr barmherzig war – Michèle, die Richard Trendel derart sexy fand wie kaum einen anderen Mann auf dieser Welt –, entfaltete ein großes Badetuch und küßte Evy auf den Mund, ehe dieser über den Bootsrand stieg.
    Er glitt bis zur Brust ins eiskalte Wasser, was ihm den Atem verschlug. Andreas sah ihn beeindruckt an: »Alter, wir sind bei dir!« erklärte er.
    Ein Schwarm Spatzen flog tschilpend durch den Himmel, als würde er von einem mächtigen, furchtbaren Feind verfolgt.
    »Scheiße, jetzt bist du dran«, fuhr Andreas fort. »Alter, vergiß nicht, das ist das Ende unserer Sorgen. Denk mit aller Kraft daran. Verdammt noch mal, unser Schicksal liegt in deinen Händen, okay?«
    Und ich kann bezeugen, daß er tatsächlich aus Dany Clarences Versteck ein gutes Pfund wasserdicht verpackten Pulvers heraufholte, abgestempelte Sticks Schwarzer Afghane, mehrere hundert Ecstasy-Tabletten und genug Medikamente, um ein ganzes Jahr durchhalten zu können, und noch am selben Abend kletterten sie auf den Baum, setzten sich auf die Plattform und kifften sich zu, während Richard sich fragte, ob er nicht seine Frau erneut verlassen sollte, und Laure ihrerseits, ob sie nicht auf dem Schoß von Axel Mender von der MediaMax landen sollte, da der Countdown inzwischen begonnen hatte.

Foto: Jacques Sassier/Copyright © Gallimard
     
    PHILIPPE DJIAN, geboren 1949 in Paris, wechselte oft den Wohnsitz. Bisherige Stationen: New York, Florenz, Bordeaux, Biarritz, Lausanne und Paris. Auf einer Autobahnmautstelle, bei einem seiner Gelegenheitsjobs, tippte Philippe Djian seinen ersten Roman. Sein dritter Roman, Betty Blue , wurde zum Kultbuch. Für seinen jüngsten Roman Oh … erhielt er 2012 den Prix Interallié. Der Autor lebt heute in Biarritz und Paris.