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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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unterbrach
Randori sie aufgebracht. „Was meinst du mit ‚Ich begreife Ihren Standpunkt’? Du
kannst dich nicht plötzlich auf die Seite dieser Leute stellen. Sie haben
deinen Getrauten entführt. Sie haben ein Gemetzel unter den Crew angerichtet!“
    „Ich stehe auf gar keiner Seite“,
sagte die Frau unbeeindruckt. „Das ist nicht meine Art. Ich stehe auf allen
Seiten gleichzeitig. Und wir wollen doch nicht moralisch werden. Immerhin hast
du selbst wenig Skrupel, jemanden über die Klinge springen zu lassen, wenn es
politisch notwenig ist.“
    Randoris Lippen wurden schmal,
aber sie war ehrlich genug, nicht zu widersprechen.
    Die Frau fuhr fort: „Was Serail
angeht, kann ich ihn am besten schützen, indem ich dafür sorge, dass es an Bord
nicht zu einer Revolution kommt. Und genau das werde ich jetzt tun. Gildemeister
Newton, Gildeherrin Fjällfågel, Kapitänin“, sie schaute gebieterisch in die
Runde, „ein Vorschlag zur Güte: Sie werden allesamt einen Schritt aufeinander
zugehen. Die Vereinigung der Terraristen löst sich auf und beendet die
Attentate. Als Gegenleistung beruft Randori eine Konferenz ein und stellt mich
der Öffentlichkeit vor. An der Versammlung werden nicht nur die Crew, sondern
auch alle hochrangigen Passagiere beteiligt sein, also die Gildenkammer, die
Regierungssenatoren, die Kapitänin als Vorsitzende – und natürlich die
Botschafterin des Planeten Archensee.“ Ihr Kleid verwandelte sich in eine
Amtsrobe, und sie verbeugte sich förmlich.
    „Das kann nicht dein Ernst sein“,
protestierte Randori.
    „Mit Live-Übertragung im Strom“,
setzte das Alien kompromisslos hinzu.
    Newton hielt den Atem an. Er wagte
kaum zu hoffen, dass Randori sich darauf einlassen würde. Bevor er sich zu der
überraschenden Wendung beglückwünschen konnte, fasste das Alien ihn ins Auge,
und der Blick ließ ihn zusammenzucken. „Jetzt zu Ihnen beiden persönlich. Ein
Teil von mir möchte Sie immer noch in kleine Stücke zerreißen, aber ich habe
einen Alternativ-Vorschlag: Ich lasse Sie ungeschoren davonkommen, wenn Sie mir
dafür Janus auf einem silbernen Tablett servieren. Was halten Sie davon?“
    „Ich liebe die Idee“, sagte Newton
hastig.
    Randori sah aus, als ob sie gleich
explodieren würde. „Jetzt reicht es aber. Du kannst doch nicht über meinen Kopf
hinweg Amnestie-Versprechen abgeben, Dschinn.“
    Das zierliche Fräulein lächelte sie
an und sagte zuckersüß: „Ich bitte dich hiermit um deine Zustimmung. Im Geiste
interplanetarer Diplomatie wirst du mir das sicher nicht verweigern? Bladerunner
hat einige bezaubernde Ideen, was Janus betrifft, und dafür braucht er die
Hilfe eines Designermeisters.“
    „Hören Sie, Kapitänin“, beeilte
sich Newton zu sagen, „wenn Sie mir eine Chance geben, kann ich Ihnen die
Unterstützung der Gildenkammer versprechen. Ich werde ein musterhafter Untergebener
sein. Sie brauchen nur mit den Fingern zu schnippen, und ich springe.“ Er
schaute sie mit Hundeaugen an.
    Randori schnaubte. „Das will ich
sehen“, sagte sie.
    Der Designermeister atmete auf. Er
kannte die Kapitänin lange genug, um zu wissen, wie er sie zu nehmen hatte. Mit
großem Eifer begann er ihr klarzumachen, wie sehr sie ihn für ihre Pläne brauchte.
     

 
    Die Artistenhalle war ein großer
diamantförmiger Raum aus Spiegelflächen. Hier herrschte Schwerelosigkeit, und
Dschinn kreiste im Null-G-Feld langsam um die eigene Achse. Sie schwebte einsam
in der Mitte des Raumes, ihr Körper glich einer komplizierten Orchidee.
Farbschleier durchliefen die durchscheinende Form, pulsierte zum Mittelpunkt
hin und trafen sich dort in einem tiefen Nachtblau. Zarte Hautflügel entfalteten
sich wie eine Knospe, die Außenhülle der Blütengestalt löste sich rauchig in
Nichts auf, bis zuletzt der Blütenkelch sich öffnete und sich ein neugeborener
Körper daraus erhob. Eine zierliche, vierhufige Gestalt trat aus der zerfallenden
Blüte. Die Luft flimmerte um sie herum, die verdichtete Atmosphäre schien den
Raum zu verzerren, als eine weiße Antilope mit großen dunklen Augen ihr Bild in
den Spiegeln betrachtete. Elfenbeinerne Fischschuppen überzogen den Körper als
schimmernder Abwehrpanzer, aus der Stirn wuchs das geschraubte Horn eines
Narwals.
    Die Legende vom Einhorn war in der
Schiffskultur tief verankert, mit Glückssymbolik und Magie aufgeladen. Würde
sich diese Gestalt für einen Erstkontakt eignen? So viel hing bei den Menschen
von Äußerlichkeiten ab.
    Dschinn hatte nicht

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