Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
die sich in seinen Kehlkopf drückte. Er beschloss,
sich an dem Gespräch nicht weiter zu beteiligen.
„Ich habe keinen Grund, um
Verzeihung zu bitten“, sagte Fjällfågel mit neu erwachtem Stolz. „Ich habe
getan, was ich für richtig hielt, und daran hat sich nichts geändert. Wenn ich
dafür getötet werde, ist das ein geringer Preis.“
„Wie heroisch“, spöttelte der
Drache. Er neigte den Kopf zur Seite und musterte die Gildeherrin mit einem
kalten Reptilienblick von oben bis unten. „Sie sind also die selbst ernannte
Beschützerin von Archensee. Die Dame, die im Namen meines Volkes Crew
erschießen lässt. Vielleicht hätten Sie fairerweise abwarten sollen, was die
Einheimischen zu einer Besiedlung sagen?“
Ihre Augen wurden groß. „Sie sind
ein Botschafter des Wasserplaneten?“
‚Das Ding ist ein was ?’,
dachte Newton verstört und öffnete schon den Mund. Der Krallengriff verstärkte
sich, und er verschluckte gehorsam, was er hatte sagen wollen. Das Wesen musste
sich nicht einmal anstrengen, um ihn zu töten. Es brauchte sich nur hinzulegen,
und Newton würde aussehen wie eine Pizza mit Tomatensoße. Er konnte das
drohende Tonnengewicht über sich spüren. Der Drache hatte sich gerade so weit
niedergelassen, dass die scharfen Ränder seiner Lederschuppen in Newtons Haut drückten
und ein rotes Karomuster auf seinem ganzen Körper hinterließen.
„Ein Botschafter? So könnte man es
nennen“, bestätigte das Tier.
„Und sie wollen den Menschen die
Landung gestatten? Ich weiß nicht, was man Ihnen versprochen hat, aber Sie
haben keine Ahnung, welches Risiko Sie damit ...“
„Ich war lange genug ein Mensch,
um das sehr genau abschätzen zu können“, widersprach der Drache und schüttelte
seine Flügel. „Natürlich gibt es Risiken, wie bei jedem sozialen Umbruch, aber
die Vorteile für mein Volk überwiegen bei weitem. Und ich bitte Sie doch –“
setzte er scharf hinzu, als Fjällfågel Anstalten machte, ihm ins Wort zu
fallen, „uns zuzutrauen, dass wir selbst entscheiden können, was für uns gut
ist und was nicht. Im Übrigen dürften Sie festgestellt haben, dass wir uns zu
wehren wissen, wenn man uns verärgert.“
Fjällfågel wurde rot. „Es tut mir
Leid. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ausgerechnet Serail –“
„Es gibt vieles, von dem Sie keine
Ahnung haben“, stellte das Alien brutal fest. „Also halten Sie sich verdammt
noch mal raus!“
Die Schamanin zuckte zusammen und
sah aus, als würde sie den riesigen Drachen vor sich erst jetzt richtig
wahrnehmen, als er in diesem ungeschminkten Ton mit ihr sprach. Dieses Wesen
war echt, es war fünf Meter groß und wütend, und es hatte sie gerade in menschlicher
Sprache angeschnauzt.
In diesem Moment ging die Tür auf,
und die Kapitänin kam hereinspaziert. Sie musterte die Szene mit
offensichtlichem Vergnügen und sagte: „Himmel, was für ein dramatischer
Auftritt. Meister Newton scheint sich von deiner Präsenz ganz erdrückt zu
fühlen.“
Der Drache gab ein Geräusch von
sich, das verdächtig wie ein Kichern klang. Er trat einen Schritt zurück und
fiel in eine Staubwolke auseinander, in der die zierliche Gestalt eines weißgekleideten
Mädchens erschien. Die junge Frau lächelte und strich sich kokett mit der Hand
durchs Haar. Newton erkannte die Person, die ihm bei den Camelot als ‘Dschinn
von Archensee’ vorgestellt worden war und mit der er recht aufdringlich
geflirtet hatte. Er gab ein röchelndes Geräusch von sich und beschloss, noch
eine Weile liegen zu bleiben.
„Wie geht es Serail?“, fragte die
Kapitänin und beantwortete sich die Frage selbst, als der junge Mann zu ihr
trat. „Nun, du scheinst es gut überstanden zu haben.“
„Das sieht nur so aus“, murmelte
Serail.
Randori musterte den Matrosen
aufmerksam. „Hat man dich schlecht behandelt?“
„Eigentlich nicht.“ Seine Stimme
klang ausdruckslos. „Nur hatte sich Janus bei den Schamanen eingenistet, und er
war in Spiellaune.“
Das Mädchen in Weiß hatte mit
einem Mal viele spitze Zähne.
Newton setzte sich auf. „Janus?“,
wiederholte er. Sein Blick fiel auf die verlegen wirkende Fjällfågel. „Das ist
nicht wahr, oder? Ich habe nicht mit diesem perversen Sadisten zusammengearbeitet.
Der Mann hat einen meiner Meisterschüler vergewaltigt.“
Die Gildeherrin machte eine
unsichere Geste. „Ich weiß es nicht. Serail hat schon einmal solche
Beschuldigungen vorgebracht, aber ich kenne den betreffenden Schamanen
persönlich.
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