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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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wir
verlernt, auf einem Eingeborenen-Niveau zu überleben. Ich brauche meine Maschinen,
die mir dabei helfen zu …“
    „Du hast mich. Dein
persönliches Multifunktionswerkzeug. Wenn du auf Archensee wirklich dringend einen
Staubsauger brauchst, musst du einfach nur fragen.“
    Randori schnaubte. „Ich sehe es
schon vor mir: eine Außerirdische, die durch meine Robinsonhütte rüsselt.“
    Dschinn wiegte den Kopf. „Ich
meine das im Grunde ganz ernst. Es wird viele von uns geben, die euch bei allem
unterstützen. Ihr müsst einfach nur um Hilfe bitten, statt jedes Problem allein
bewältigen zu wollen. Wenn ihr bereit seid zu akzeptieren, dass ihr auf dieser
Welt nicht die Herrscher seid, sondern unsere Gäste …“
    Randori fragte sich, wo das ‘wir’
und ‘uns’ plötzlich herkam. Bisher hatte Dschinn sich immer geweigert, als
Vertreterin eines Volkes zu sprechen. Aber je hitziger die Debatte wurde, desto
öfter war sie in die menschliche Gewohnheit hineingerutscht, sich als Teil
einer Gemeinschaft zu betrachten. War ihr eigentlich bewusst, wie stark
Caravans Gehirnstruktur ihr Denken beeinflusste?
    Die Ärztin warf skeptisch ein: „Es
ist schwer zu glauben, dass Ihre Spezies uns ganz umsonst hilft, aus purer
Gutmütigkeit.“
    Dschinn drehte sich zu ihr um und
runzelte die Stirn. „Nun ja, ich würde das tun. Warum das Misstrauen?
Ihre Spezies wäre eine faszinierende Ergänzung zu dem Leben auf unserem Planeten.
Archensee besitzt leider keine große genetische Vielfalt. Ich fing gerade an,
mich buchstäblich zu Tode zu langweilen. Sehen Sie, uns fehlen all die
biologischen Nischen, die auf Ihrer Welt durch Festland, Kontinente, stabile
Inselgruppen geschaffen wurden. Also hat ein Ahne nur eine sehr begrenzte Auswahl
an Daseinsformen. Ich habe über tausend Jahre gelebt, auch wenn man mir das hoffentlich
nicht ansieht ...“, Dschinn strich kokett ihr Kleid zurecht. Seit ihrer
Geschlechtsumwandlung hatte sie sich anscheinend über weibliches Rollenverhalten
informiert.
    Randori spielte mit und
protestestierte höflich. Dabei dachte sie für sich, dass Dschinn in jeder
Körperhülle wie eine Antique aussehen würde. Diese Ausstrahlung von Ewigkeit
hatte sie nicht besessen, als sie noch Caravan gewesen war.
    Dschinn schwieg eine Weile, als
könne sie sich nicht entscheiden, wie sie weiter taktieren sollte. Sie wählte
ihre nächsten Worte mit präziser Sorgfalt. „Es gibt bei uns Ahnen einen klaren
Lebenszyklus. Wenn wir im Alter zu selten auf neue Möglichkeiten der Verwandlung
stoßen, tritt unser Tiefenselbst in seine letzte Phase ein, und unser
Überlebensinstinkt erlischt. Wir begehen Selbstmord, falls man das so nennen
kann.“
    Der Kapitänin klappte die Kinnlade
herunter. „Du warst kurz davor, dich umzubringen? Nur weil du deinen
Kostümfundus nicht erweitern konntest?“
    „Das ist ein biologischer Reflex.
Wir können ohne ständige Veränderung nicht leben. Ich habe dir erzählt, wie
Bladerunner von seinem Tiefenselbst zum Selbstmord getrieben wurde, als sich
keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung, zur Verwandlung fand. Es ist nicht unbedingt
so, dass ich mich aus Langeweile töten wollte , ich hatte mich nur damit
abgefunden, dass es passieren würde.“
    „Das ist ziemlich merkwürdig,
Dschinn.“
    „Nein, es hat einen ganz
praktischen Zweck. Der Selbstmordtrieb ist unsere biologische Uhr, die ihrem
Ende entgegentickt. Wir sterben schließlich nicht an Altersschwäche, und unsere
Körper sind praktisch unzerstörbar. Also hat die Evolution es so eingerichtet,
dass wir uns nach einer gewissen Zeitspanne selbst vernichten. Das lässt sich
nicht umgehen, denn … wie soll ich es ausdrücken? Ich fürchte, das wird dir
noch grauenvoller vorkommen.“
    „Was?“
    „Wir pflanzen uns fort, indem wir
sterben.“
    „Was?“, stieß Nachtigall hervor.
Als Stadtärztin hatte sie schon viele Geburten miterlebt und zugeschaut, wie
strahlende Mütter ihre Babys an die Brust legten. „Bitte sagen Sie mir, dass
ich das falsch verstanden habe. Sie bekommen Kinder, indem Sie sich umbringen?“
    Dschinn schaute sie mit schräg
gelegtem Kopf an. „Deshalb nenne ich mich selbst einen ‘Ahnen’, weil ich fähig
bin, Nachkommen zu erschaffen. Ich trage inzwischen eine genügend große Anzahl
verschiedener Kernzellen in mir, um sie unter vier Kindern aufteilen zu können.
Wenn ich meine Existenz beenden will, lasse ich mich in Stücke zerfallen. Jedes
dieser Teile ist ein lebendiger, neugeborener

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