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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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blubberte es. Randori
zog es vor, nicht näher hinzuschauen. Sie lenkte sich mit einer Frage ab, die
ihr gerade durch den Kopf schoss. „Sag mal, kannst du eigentlich singen?“
    „Was?“
    „Ich meine, wo hast du deinen
Taufnamen herbekommen?“ Nachtigall war alles andere als ein zartes Vögelchen.
    „Oh, ich verstehe, worauf du
hinauswillst.“ Die Chefärztin lachte. „Ich hoffe sehr, dass es eine Anspielung
auf Florence Nightingale ist, eine berühmte Lazaretthelferin aus dem Neunzehnten
Jahrhundert. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass ich meine Mitarbeiter
einmal zu oft angebrüllt habe und mein Taufname die Quittung dafür ist.“
    Aus dem Augenwinkel beobachtete
die Kapitänin, wie sich Dschinn in eine Tulpe verwandelte, auf ihrer Blumenzwiebel
balancierte und dann langsam zur Seite umkippte. Wenigstens konnte man schon
wieder erkennen, welche Spezies sie darstellen wollte.
    „Ich sollte einen Zoo aufmachen“,
stellte Randori fest, als ein blaugestreifter Frosch durch ihr Zimmer hüpfte
und sich gleich darauf in einen kleinen Lemuren verwandelte, der auf der Suche
nach Nahrung ihr Bambusgestühl auseinander nahm.
    „Einen Zoo? Dann versuch mal, das
hier in einen Käfig zu sperren“, meinte die Ärztin. Sie machte eine Pause und
drehte eine Besichtigungsrunde um einen Karpfen, der gerade vier Beine
entwickelte. „Ganz im Ernst, wie willst du in Zukunft mit ihr oder anderen
Gestaltwandlern fertig werden? Dschinns Zirkuskunststückchen sind ja sehr
unterhaltsam, aber vor allem zeigen sie doch, über was für ein unbegrenztes
Potential sie verfügt. Was ist, wenn wir uns gegen ihre Spezies schützen müssen?

    „Ich hoffe nicht, dass es so weit
kommt“, wich Randori aus.
    Die Ärztin ließ sich mit einer solch
vagen Antwort nicht abspeisen. „Falls ich Dschinns Fähigkeiten richtig
einschätze, haben wir keine Chance gegen ihr Volk“, sagte sie drängend. „Diese
Wesen sind nahezu unsterblich, hochintelligent und lernen unglaublich schnell.
Sie können sich in jeden beliebigen Menschen verwandeln – wenn sie wollen,
können sie sogar unsere Kommandostruktur unterwandern, ohne dass wir es
bemerken. Vielleicht ist das schon längst geschehen, wer weiß? Sind Sie eine
Dschinn, Kapitän Randori?“
    „Ich nehme mal an, dass diese
Frage ein Scherz ist“, sagte Randori. Sie wartete erst auf Nachtigalls Nicken,
bevor sie fortfuhr. „Tatsächlich macht mir diese Art von Misstrauen mehr Kopfzerbrechen
als eine eventuelle Bedrohung von außen. Was wird passieren, wenn sich die
Geschichte von den Gestaltwandlern unter den Passagieren herumspricht? Wie
viele Leute werden davon überzeugt sein, dass ich ein Alien bin oder ihr
ungeliebter Nachbar oder ihre geschiedene Ehefrau? Alle werden sich gegenseitig
belauern und darauf warten, dass dem anderen Tentakel wachsen. Es wird eine
Hexenjagd geben. Wer sich ein bisschen unnormal benimmt, wird sofort als
feindliches Alien verdächtigt. Und was, bitte, ist auf der Arche schon normal?“
    Nachtigall zog sich den letzten
nicht angefressenen Korbstuhl heran und ließ sich stirnrunzelnd hineinfallen.
Mit ihrem Sinn fürs Praktische war sie sofort dabei, über eine Lösung des
Problems nachzudenken. Sie wippte überlegend mit dem Fuß und stellte dann fest:
„Um eine Massenhysterie zu vermeiden, bräuchte man eine sichere Methode, die
Dschinns von den Menschen zu unterscheiden. Dann kann niemand mehr seinen
Nachbarn oder seine Ex-Frau verdächtigen.“
    Die Kapitänin beugte sich
interessiert vor. „Lässt sich das machen? Du hast Caravan gleich nach seinem
Unfall vollständig untersucht und nicht bemerkt, dass er kein Mensch ist.“
    „Nicht mit den üblichen Verfahren,
nein. Aber Dschinn hat gesagt, dass sie ihren Hüllenkörper um ‘Kernzellen’
herum aufbaut, die ihr eigentliches Ich ausmachen. Das ist der kleine
Unterschied, der bei jeder Verwandlung erhalten bleibt. Wenn wir bei einer
medizinischen Untersuchung Kernzellen finden, dann wissen wir, dass es sich
nicht um einen Menschen sondern um einen außerirdischen Doppelgänger handelt.“
    „Bleibt die Frage, wie sich das
technisch bewerkstelligen lässt. Die Kernzellen scheinen eine Art Energieform
zu sein ...“, überlegte Randori, die sich mit überkreuzten Beinen auf ein
Kissen niedergelassen hatte.
    „Ja, genauso ist es“, bestätigte
eine erschöpfte Frauenstimme vom anderen Ende des Zimmers.
    Randori fuhr fast ein wenig
schuldbewusst herum. Wie viel hatte Dschinn gehört? Würde sie

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