Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Sie ihn selbst befragen. Ich
erwarte Sie so bald wie möglich hier bei dem Gefangenen.“
Newtons rosiges Buddhagesicht
verlor seine Farbe, und er fühlte ein nervöses Kribbeln seine Wirbelsäule empor
kriechen. Fjällfågel hätte sich ruhig klarer ausdrücken können. Machte es ihr
Spaß, ihn auf die Folter zu spannen? Er streifte sich hastig einen Ausgehmantel
aus Goldhamsterfell über und ging zur Tür. Der Schamane eilte ihm voraus, und
Newton fragte scharf: „Wo wollen Sie hin?“
„Ich werde Sie zu Fjällfågel
begleiten“, sagte der Mann.
„Sie bleiben hier, ich kenne den
Weg selbst. Glauben Sie, ich werde mich ausgerechnet jetzt mit einem Schamanen
in den Gängen zeigen?“
Das hagere Gesicht verzog sich zu
einer trotzigen Miene. „Ich habe meine Befehle. Ich werde Sie begleiten, wie
man es mir aufgetragen hat.“
Newton wollte schon eine wütende
Antwort geben, aber er hielt sich zurück. Es hatte keinen Sinn zu diskutieren.
Fjällfågel wurde von ihrer Gilde wie eine Heilige verehrt, und wenn sie eine
Order gab, dann wurde sie ausgeführt. Er musste sich damit abfinden, dass Horst
wie eine Klette an ihm hängen würde. „Also gut, aber dann ziehen Sie sich
zumindest etwas Unauffälliges an.“
Falkenhorst nickte und verschwand
hinter der verschiebbaren Trennwand, wo sich der Recycler befand. Wenig später
erschien er im härenen Mönchsgewand eines Jesuiten und hatte die Kapuze als
Tarnung tief ins Gesicht gezogen. Newton musterte ihn kurz und ging mit schnellen
Schritten durch die Tür.
Sie wechselten kein einziges Wort,
während sie die Korridore des Schiffes entlang eilten. Seinem Rang entsprechend
hielt sich Falkenhorst die ganze Zeit ein paar Schritte hinter dem Gildemeister.
Bald erreichten sie das Gartenlabyrinth von Lindgrenstadt und steuerten mit
einem Minimum an Vorsichtmaßnahmen auf die Halle der Schamanen zu. Newton gab
ein Klopfzeichen, die Tür öffnete sich, und die zerbrechliche, weißhaarige
Fjällfågel schaute zu ihm auf. „Designermeister“, sagte sie mit einer Spur
Überraschung in der Stimme, „welch angenehmer Besuch. Kommen Sie doch herein.“
Ihr Blick fiel auf Falkenhorst, und sie runzelte irritiert die Stirn.
Newton achtete kaum darauf. Hastig
trat er durch die Tür in den dunklen Saal. Seine Augen mussten sich erst an den
Lichtmangel gewöhnen, nur schemenhaft sah er die auf dem Boden hingestreckten
Körper. Das dumpfe Trommeln pulste gegen seine Schläfen, und er zuckte bei
jedem Ton nervös zusammen. Newton besuchte die Schamanen nur, wenn es sich
nicht vermeiden ließ. Die nachtdunkle Wohnhöhle, in der hypnotische
Trommelrhythmen von den Wänden wiederhallten, weckte abergläubische Ängste in
ihm. Er wollte diesen Ort so schnell wie möglich verlassen und fragte barsch:
„Es gibt Schwierigkeiten? Warum haben Sie mich rufen lassen?“
Die uralte Frau betrachtete ihn
aufmerksam, als wolle sie in die Gedanken hinter seiner Stirn eindringen. Dann
sagte sie ruhig. „Ich habe Sie nicht gerufen.“
Newton fühlte ein Zittern sein
Rückrat hinunter laufen. War er hier in eine Falle geraten? „Ich bin nicht
aufgelegt für solche Spiele“, stieß er hervor.
„Ich schwöre Ihnen, ich hatte
keinen Grund, Sie zu rufen.“ Ihr Blick glitt in den Schatten hinter Newton, wo
reglos der in Jesuitenkleidung gehüllte Bote stand. Ihre Augen wurden groß, und
ein leises Keuchen drang über ihre Lippen.
Newton drehte sich um. Der
Schamane hatte die Kapuze zurückgeworfen, und ein wunderschönes, absolut
fremdartiges Gesicht war darunter zum Vorschein gekommen. Die Haut sah aus, als
sei sie mit Bronze gepudert und dann mit Leopardenflecken bemalt worden. Die
Pupillen waren goldene Schlitze, die ihn katzenhaft durch die Dunkelheit
anstarrten. Die seidenweiche Stimme ließ Newton bis zum Grund seiner Seele
erschauern. „Es scheint, dass Sie wirklich in Schwierigkeiten geraten sind,
mein Freund. Sie haben sich das falsche Entführungsopfer ausgesucht. Bald wird
Randori mit den Wachen hier sein, und bis dahin werden Sie mir verraten, wo Sie
Serail gefangen halten.“ Sein Lächeln brachte Newton dazu, einen Schritt zurückzuwanken.
„Denn ich hoffe in Ihrem eigenen Interesse, dass er noch lebt und dass ihm kein
einziges Haar gekrümmt wurde. Andernfalls könnte es sein, dass Sie Ihre inneren
Organe verstreut auf dem Boden vorfinden.“
„Caravan?“, ertönte in diesem
Moment eine unsichere Stimme aus der Dunkelheit. „Oh Gott, Caravan, bist du
das? Hol mich bloß
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