Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
hier raus.“
Die unmenschliche Gestalt fuhr mit
einer so schnellen Bewegung herum, dass sie zu flackern schien. Newton sackte
vor Erleichterung auf die Knie, als die durchdringenden Goldaugen ihn nicht
mehr in ihrer Gewalt hielten. Er hoffte, dass Randori ihn festnehmen würde,
bevor sich das Interesse des Raubtierwesens ein zweites Mal auf ihn richtete.
Serail hatte fünf alptraumhafte Tage
hinter sich. Am Anfang hatte er noch versucht sich zu befreien, wenn seine
Bewacher abgelenkt schienen, aber die Fesseln hatten nur seine Haut blutig
geschnitten. Er hatte sich gegen die Strombarriere geworfen, die den Saal
umgab, und alle Illusionisten-Tricks angewandt, die er kannte. Aber schließlich
musste er sich eingestehen, dass auch diese Anstrengungen sinnlos waren. Danach
war ihm nichts weiter übrig geblieben, als wartend in der erdrückenden
Dunkelheit zu liegen und sich davor zu fürchten, dass die Tür aufging.
Um ihn herum gab es nur leblose
Körper wie in einem Massengrab. Hier war niemand, mit dem er sprechen konnte,
niemand, den er anschreien oder anflehen konnte. Die einzige Bewegung im Raum
waren die gleichmäßig trommelnden weißen Fingerspitzen. Mechanische Knochenhände,
die immer denselben dröhnenden Rhythmus spielten. Er war umgeben von einem
wahnsinnigen Totentanz, und unaufhaltsam beschlich ihn das Gefühl, der einzige
lebende Mensch auf dem ganzen Schiff zu sein. Er betete, dass die Tür aufging,
und gleichzeitig graute ihm davor, Janus im Licht der spaltbreiten Öffnung
stehen zu sehen.
Er hatte versucht, Fjällfågel um
Hilfe zu bitten. Aber wie der Caesare es vorausgesagt hatte, traf er auf
völligen Unglauben. Sie verließ ihn mit Verachtung im Blick und hatte seitdem
kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Die Ungerechtigkeit dieser Behandlung ließ
Serail innerlich schreien. Er ertrug diese Wirklichkeit nicht mehr. Noch nie
war sein Verlangen nach dem Strom so stark gewesen. Sein Körper zitterte vor
Sehnsucht nach dem Rausch, als wäre er auf Drogenentzug. Seine Muskeln
verkrampften sich, und Tränen traten ihm in die Augen. Er war jämmerlich. Er
hatte Angst, und die Fesseln taten weh. Würde bitte jemand kommen und ihn hier
rausholen? Bitte Caravan, flüsterten seine Gedanken, mein toter Geliebter, du
musst mich finden und aus dieser Hölle retten! Er wagte es nicht, in den Strom
zu fliehen. Wenn sein Körper blind und hilflos war, würde Janus wiederkommen.
Schmerz würde sich in seine Träume schleichen, bis er es nicht mehr aushielt,
bis er die Augen weit aufriss, um zurück in die Realität geworfen zu werden. –
Und schließlich hatte der Caesare tatsächlich über ihm gestanden und ihn auf
seine genießerische Art angelächelt. Diesmal hatte ihn nichts aufgehalten. Er
hatte sich alle Zeit der Welt genommen. Serail wollte nie wieder daran denken.
Die Tür ging auf. Er zuckte
zusammen und versuchte trotz seiner Fesseln fortzukriechen, aber statt Janus
schlanker Gestalt sah er zwei unbekannte Schattenrisse im hereinfallenden Licht
des Korridors. Ihm wurde schwindelig vor Erleichterung, und er hörte kaum, was
die Besucher sagten. Doch die Worte waren so eigenartig, dass sie nach einer
Weile unwillkürlich in sein Bewusstsein drangen.
Serail wagte kaum zu hoffen, dass
es vorbei sein könnte ... „Caravan?“, brachte er nur flüsternd heraus. Er hatte
das Gefühl, dass eine der Schattengestalten bei diesem Geräusch in seine
Richtung schaute und wiederholte seinen Ruf. Dann war Caravan plötzlich bei
ihm, mit einem fremden Gesicht. Er kniete neben ihm auf dem Boden, zerschnitt
seine Fesseln mit messerscharfen Fingernägeln und hielt ihn schützend in den Armen.
„Was haben sie mit dir gemacht?“,
flüsterte er. „Haben sie dir wehgetan? Oh, wenn sie dich verletzt haben, dann
werden sie es bereuen, das schwöre ich dir.“
Serail musste bei diesen Worten
unter Tränen lächeln. Sein früherer Caravan hätte niemals mit solch
hemmungsloser Wildheit reagiert. Er war ein Gelehrter, und körperliche Gewalt
war nicht sein Stil.
Der Caravan, der nun neben ihm
hockte, würde jedem an die Kehle springen, der seinem Getrauten zu nahe kam.
Nach der vorangegangenen Tortur brauchte Serail diesen aggressiven
Beschützerinstinkt. Tagelang hatte er seine ganze Hoffnung darauf gesetzt, dass
sein seltsamer Geliebter jedes Hindernis beiseite schlagen würde, um ihn zu
retten. Während er sich unter Janus Händen wand, hatte ihn nur der Gedanke bei
Verstand gehalten, dass der Caesare nicht
Weitere Kostenlose Bücher