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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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Außerdem war sie fast sicher, dass Dschinn mit ihren Vermutungen
Recht hatte. Newton war schon immer übertrieben ehrgeizig gewesen, und die
Rangstellung als Passagier verletzte seinen beträchtlichen Stolz. Es war
denkbar, dass er die Schamanen zu seinen Zwecken benutzte und sie mit Attentatswaffen
ausrüstete. Wenn die Crew erst durch die andauernden Überfälle zermürbt waren,
hatte er eine Chance, die Machtbalance zu kippen. Die ersten Sätze des
Erpressungsbriefes klangen verdächtig nach seinem Stil. Newton war ganz der
Mann, um sich zum Befreier der Passagiere aufzuschwingen und sich an die Spitze
einer gildenfreien Demokratiebewegung zu stellen. Und wem sonst konnte es wohl
gelingen, zwei so gegensätzliche Aktivistengruppen wie die Demokraten und die
Eremiten zur Zusammenarbeit zu bewegen? Ihr fiel absolut niemand ein, außer
vielleicht … Nein, das war zu abwegig. „Hast du einen Plan?“, fragte sie
vorsichtig.
    „Oh ja, er ist ganz einfach. Du
bringst mich zu Newton, und ich werde Streifen aus ihm herausschneiden, bis er
mir sagt, wo mein Getrauter ist.“
    Randori starrte sie an. „Lieber
Himmel, Dschinn. Könntest du Bladerunner einen Augenblick in dein
Unterbewusstsein zurückschieben, wo er hingehört und nachdenken . Was
ist, wenn du das belauschte Gespräch falsch gedeutet hast? Newtons Name ist
darin schließlich nie gefallen. Ich kann doch nicht daneben stehen und zusehen,
wie du den Gildenmeister der Designer auf einen bloßen Verdacht hin zu Tode
folterst.“
    Dschinns Gesichtszüge verwandelten
sich in etwas, das wunderschön und absolut tödlich war. Die Kreuzung aus
geisterhafter Frau und Sturmfänger ließ Randori vor Furcht erstarren. Sie stand
ganz still, wie sie es einmal bei einer Raubtiersafari im Strom gelernt hatte.
Nur keine Fluchtreflexe zeigen, nur nicht weglaufen. Bleib ganz ruhig, und
beweg dich nicht! Bladerunners seelenlose Augen starrten sie an, aber dann,
nach einer endlosen Zeit, schimmerte ein Rest von Menschlichkeit darin auf.
    „Dschinn?“, wisperte Randori mit
trockenem Mund. „Könntest du dich bitte erinnern, dass wir auf derselben Seite
stehen?“
    „Natürlich, Kapitänin.“ Sie klang
förmlich und emotionslos. „Ich entschuldige mich für meinen Mangel an
Selbstkontrolle.“
    „Oh, schon gut“, sagte Randori
schwach.
    „Hast du einen besseren Plan?“,
fragte die metallische Stimme.
    „Ich glaube schon.“ Ein zynisches
Lächeln breitete sich über Randoris Gesicht aus. Todesangst konnte das Denken
enorm beschleunigen. Aber Newton hatte sicher verdient, was auf ihn zukam. „Oh
ja, ich weiß genau, wie wir den geehrten Gildemeister überführen können.“
     
    Newton werkelte glücklich in seinem
privaten Hexenlabor und hatte keine Ahnung, was sich über ihm zusammenbraute.
Er trieb im Strom, inmitten der abstrakten mathematischen Landschaft, aus der
er neue Luxusprodukte und Illusionen formte. Vor ihm kreiste ein BH frei in der
Luft. Es handelte sich um einen Auftrag, der seinen beruflichen Ehrgeiz geweckt
hatte: Wie sollte man einen Recycler dazu bringen, Unterwäsche zu produzieren,
die ‘Happy Birthday’ sang, wenn man sich für die Geliebte auszog? Am
einfachsten schien es, eine Photosensorik einzubauen ... Er befand sich tief in
einer Welt aus binären Mustern, als ihn der Türgong zurück in die Realität
holte. Verärgert über die Störung blinzelte er den BH fort, ging an die Tür und
riss sie auf.
    Seine Laune verbesserte sich
nicht, als er sah, wer dort stand. Es war der penetrante Schamane, den
Fjällfågel ihm als Verbindungsmann ausgesucht hatte. Wie hieß er noch? Horst
oder so ähnlich … richtig, Falkenhorst. Der Mann musste besondere Qualitäten
besitzen, aber bisher hatte Newton sie nicht entdecken können. „Verdammt, was
wollen Sie denn hier?“, knurrte er und zog den Eremiten ins Zimmer.
„Kommen Sie bloß rein, sonst sieht uns noch jemand zusammen. Sind Sie völlig
verrückt geworden?“
    „Ich konnte Sie bei den Camelot
nicht kontaktieren, also habe ich gedacht ...“
    „Ja, ja, Sie haben gedacht.
Überlassen Sie das beim nächsten Mal klügeren Leuten.“ Der Designer ließ sich
schwer in seinen Arbeitssessel fallen. Das Zimmer enthielt nicht viel mehr als
dieses eine Möbelstück, denn Newton war ein Workaholic. Er befand sich nur
selten auf dieser Seite der Realität. Steif und verärgert stand der Schamane in
der Mitte des Raumes, und Newton dachte nicht daran, ihm etwas zum Sitzen aus
dem Recycler zu holen.

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