Die Fünfundvierzig
demselben Phlegma alle Stellen an, wo von seiner Frau und von dem Vicomte von Turenne die Rede war; bei dem letzten Worte aber fragte er: » Turennius , bedeutet das nicht Turenne?« – »Ich denke wohl, Sire.«
»Und Margota , wäre das nicht der freundschaftliche Name, den meine Schwäger Karl IX. und Heinrich III. ihrer Schwester, meiner vielgeliebten Gemahlin Margarete, gaben?« – »Ich kann das nicht als unmöglich ansehen,« erwiderte Chicot. Und er fuhr in seiner Übertragung bis zum letzten Ende des Satzes fort, ohne daß ein einziges Mal das Gesicht des Königs seinen Ausdruck veränderte.
Endlich hielt er an, nachdem er die Schlußworte mit einem ganz sonderbaren Schnarren gesprochen hatte.
»Seid Ihr zu Ende?« fragte Heinrich. – »Ja, Sire.«
»Das muß herrlich sein.« – »Nicht wahr, Sire?«
»Welch ein Unglück, daß ich nur die beiden Worte: Turennius und Margota , verstanden habe.« – »Ein unwiederbringliches Unglück, Sire, wenn sich Eure Majestät nicht entschließt, den Brief durch irgendeinen Geistlichen übersetzen zu lassen.«
»Oh! nein,« rief Heinrich lebhaft. »Und Ihr selbst, Herr Chicot, der Ihr bei Eurer Botschaft mit so viel Diskretion zu Werke gegangen seid, daß Ihr das Original der Schrift habt verschwinden lassen, werdet mir nicht raten, diesen Brief irgendwie der Öffentlichkeit zu übergeben?« – »Ich sage das nicht, Sire.«
»Aber Ihr denkt es?« – »Ich denke, da Eure Majestät mich fragt, daß der Brief des Königs, Eures Schwagers, der mir so sehr empfohlen und an Eure Majestät durch einen besonderen Abgesandten übergeben ist, vielleicht da und dort etwas Gutes enthält, wovon Eure Majestät Gebrauch machen könnte.«
»Ja, doch um das Gute jemand anzuvertrauen, müßte ich zu irgend jemand volles Zutrauen haben.« – »Gewiß.«
»Nun, so tut eines,« sagte Heinrich, wie von einem Gedanken erleuchtet. – »Was?« »Sucht meine Frau Margota auf; sie ist gelehrt; tragt ihr den Brief vor, und sie wird ihn verstehen... Und dann wird sie mir ihn ganz natürlich erklären.« – »Ah! das ist bewunderungswürdig!« rief Chicot. »Eure Majestät spricht goldene Worte.«
»Nicht wahr? Geht also!« – »Ich eile, Sire.«
»Verändert nicht ein Wort an dem Briefe.« – »Das wäre mir unmöglich. Ich müßte das Lateinische verstehen, und ich verstehe davon höchstens hier und da einen barbarischen Ausdruck.«
»Geht, mein Freund, geht!«
Chicot erbat sich die nötige Auskunft, wie er die Königin finden könne, und verließ Heinrich, mehr als je überzeugt, Heinrich sei ein Rätsel.
Die Allee von dreitausend Schritten.
Die Königin bewohnte den anderen Flügel des Schlosses, wo man fast immer Musik hörte und einen Federbusch umherschweifen sah.
Die berühmte Allee von dreitausend Schritten fing unter den Fenstern Margarethes an, und ihr Blick verweilte nur auf angenehmen Gegenständen, wie blühendenGesträuchen und grünenden Lauben. Es war, als wollte die arme Fürstin durch den Anblick anmutiger Dinge die düsteren Gedanken verjagen, die im Grunde ihres Geistes wohnten.
Am Fuße des Throns geboren, Tochter, Schwester, Frau eines Königs, hatte Margarethe viel gelitten, und obwohl sie Philosophin war oder vielmehr sein wollte, hatte doch schon die Zeit und der Kummer ihre ausdrucksvollen Furchen auf ihrem Antlitz ziehen dürfen. Nichtsdestoweniger war sie noch von einer merkwürdigen, feinen Schönheit, die gerade den Erhabensten gefällt, und der man stets den Vorrang vor der physischen Schönheit einzuräumen geneigt ist. Margarethe hatte das freundliche, gute Lächeln, das feuchte, glänzende Auge, die geschmeidige, liebkosende Gebärde, sie war, wie gesagt, immer ein anbetungswürdiges Geschöpf.
Sie wurde auch in Nerac, wohin sie Eleganz, Freude und Leben brachte, vergöttert. Ihr Hof war nicht allein ein Hof von Edelleuten und Damen, alles Volk liebte sie zugleich als Königin und als Frau, die Harmonie ihrer Flöten und Geigen und auch ihre Mahlzeiten waren für jedermann. Sie wußte auch von der Zeit einen nützlichen Gebrauch zu machen, daß jeder ihrer Tage ihr etwas brachte, und daß keiner für ihre Umgebung verloren war.
Klug wußte sie ihren Kummer über Heinrichs Entgleisungen zu verbergen und hatte sich daran gewöhnt, mit der Liebe oder wenigstens mit dem Anschein der Liebe zu leben und durch Poesie und Wohlleben Familie, Gatten, Freunde und alles übrige zu ersetzen.
Niemand außer Katharina von Medici, Chicot und einigen
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