Die Fünfundvierzig
Schlüssel des Rätsels suchte.
»Wenn man dem Anschein glauben darf, versteht er es sehr schlecht, denn nie begreift er oder scheint wenigstens nie zu begreifen, wenn ich mit einem vom Hofe in dieser Sprache rede.« – »Ah! Teufel!« macht Chicot und biß sich auf die Lippen.
»Habt Ihr ihm den Brief vorgesagt?« – »Er war an ihn gerichtet.«
»Und er schien ihn zu verstehen?« – »Nur zwei Worte.«
»Welche?« – »Turennius und Margota.«
»Was hat er sodann getan?« – »Er hat mich zu Euch geschickt.«
»Zu mir?« – »Ja, indem er sagte, dieser Brief scheine zu wichtige Dinge zu enthalten, als daß man ihn durch einen Fremden übersetzen lassen könnte, und es wäre besser, wenn Ihr es tätet, Ihr die Schönste der Gelehrtinnen und die Gelehrteste unter den Schönen.«
»Ich werde Euch anhören, Herr Chicot, da es der Befehl des Königs ist, daß ich Euch höre.« – .»Ich danke, Madame; wo beliebt es Eurer Majestät, daß ich spreche?«
»Hier; nein, nein, bei mir vielmehr; ich bitte, kommt in mein Kabinett!«
Margarethe schaute mit einem tief forschenden BlickeChicot an, der sie, wohl aus Mitleid mit ihr, eine Ecke der Wahrheit hatte erschauen lassen.
Die arme Frau fühlte das Bedürfnis einer Unterstützung, einer Rückkehr zur Liebe vielleicht, um die Prüfung auszuhalten, die sie bedrohte.
»Vicomte,« sagte sie zu Herrn von Turenne, »Euren Arm bis zum Schloß! Habt die Güte, uns voranzugehen, Herr Chicot.«
Das Kabinett Margarethes.
Im Kabinett der Königin wurde Chicot eingeladen, sich in einen schönen, guten Lehnstuhl zu setzen, dessen Stickerei einen Amor darstellte, der eine Wolke von Blumen ausstreute; ein Page, der nicht d'Aubiac, aber viel schöner und viel reicher gekleidet war als dieser, bot dem Gesandten neue Erfrischungen an.
Chicot nahm nichts an und begann, sobald der Vicomte von Turenne den Platz verlassen hatte, mit treuem Gedächtnis den Brief des Königs von Frankreich und Polen herzusagen.
Chicot sprach, um sich möglichst die Verlegenheit zu sparen, das Lateinische so verkehrt wie möglich aus und hielt den Kopf gesenkt. Margarethe aber verstand sofort alles Boshafte und Stechende des Briefes.
Man darf auch nicht glauben, daß Chicot seine Nase ewig gesenkt hielt, er schlug bald ein Auge, bald das andere auf und beruhigte sich dann, als er sah, daß die Königin unter ihren bald zusammengezogenen Brauen einen Entschluß faßte. Er vollendete also mit ziemlicher Ruhe die Grüße des königlichen Briefes.
»Beim heiligen Abendmahl,« sagte die Königin, als Chicot geendigt hatte, »mein Bruder schreibt hübsch Lateinisch; welche Lebhaftigkeit, welcher Stil! Ich hätte nie geglaubt, daß er so stark darin sei.«
Chicot machte eine Bewegung mit dem Auge und öffnete die Hände wie ein Mensch, der sich das Ansehen gibt, als billige er aus Höflichkeit, während er nichts versteht.
»Ihr versteht es nicht?« sagte die Königin, die mit allen Sprachen und auch mit der Mimik vertraut war. »Ich glaubte, Ihr wäret ein starker Lateiner.«
»Madame, ich habe es vergessen; alles, was ich heute weiß, alles, was ich von meiner alten Wissenschaft noch übrig habe, ist, daß das Lateinische keinen Artikel, daß es einen Vokativ hat, und daß der Kopf in dieser Sprache sächlichen Geschlechtes ist.«
»Ah! wahrhaftig!« rief eintretend eine heitere und laute Stimme.
Chicot und die Königin wandten sich rasch um.
»Wie?« sagte Heinrich hinzutretend, »der Kopf ist im Lateinischen sächlichen Geschlechts, Herr Chicot ... und warum ist er denn nicht männlichen Geschlechts?« – »Ah! Sire, ich weiß es nicht und wundere mich darüber wie Eure Majestät.«
»Ich wundere mich auch darüber,« sagte Margarethe träumerisch.
»Das muß so sein,« sagte der König, »weil bald der Mann, bald die Frau die Herren sind, und zwar je nach dem Temperament des Mannes oder der Frau.«
Sich verbeugend, sagte Chicot: »Das ist offenbar der beste Grund, den ich kenne.«
»Desto besser, es freut mich unendlich, daß ich ein tieferer Philosoph bin, als ich glaubte. Doch kommen wir nun auf den Brief zurück; wißt, Madame, daß ich vor Verlangen brenne, die Neuigkeiten vom französischen Hofe zu erfahren, und nun bringt sie mir dieser brave Herr Chicot gerade in lateinischer Sprache; sonst ...«
»Sonst?« wiederholte Margarethe.
»Sonst würde ich mich daran ergötzen, Ventre-saint-gris! Ihr wißt, wie sehr ich die Neuigkeiten liebe, und besonders die skandalösen
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