Die Fünfundvierzig
Gott, ja, um so mehr, als sie in anderen Umständen ist... ein wahrer Wahnsinn!«
»Die Königin legt ihre Schmerzen zu den Füßen des Kruzifixes nieder,« sagte der Geistliche.
»Überdies weiß die Königin dies alles nicht,« bemerkte der Offizier.
»Bah!« entgegnete Chicot, »das ist nicht möglich.«
»Warum?« fragte der Offizier.
»Weil Nerac keine so große Stadt ist, daß nicht alles darin durchsichtig sein muß.«
»Ah! was das betrifft,« sagte der Geistliche, »es ist dort ein Park, und in dem Part sind Alleen von mehr als dreitausend Schritten, ganz mit Zypressen, Platanen und herrlichen Sykomoren bepflanzt; das gibt einen Schatten, daß man am hellen Tag keine zehn Schritte weit sieht. Bedenkt ein wenig, ob man da bei Nacht etwas sehen kann.«
»Und dann ist die Königin beschäftigt!«
»Und womit, wenn ich fragen darf?«
»Mit Gott, mein Herr,« antwortete der Priester voll Stolz.
»Mit Gott!« rief Chicot. »Die Königin ist fromm?«
»Sehr fromm.«
»Doch ich denke, es gibt keine Messe im Palast,« sagte Chicot.
»Da habt Ihr ganz unrecht. Keine Messe! haltet Ihr uns denn für Heiden? Erfahrt, mein Herr, daß, wenn der König mit seinen Edelleuten in die Predigt geht, die Königin sich in einer Privatkapelle Messe lesen läßt.«
»Die Königin Margarete?«
»Die Königin Margarete, so daß ich, ein unwürdiger Priester, zwei Taler erhalten habe, weil ich zweimal in dieser Kapelle amtete.«
Chicot hatte mehr Auskunft erhalten, als er brauchte,um einen ganzen Plan zu bauen. Er kannte Margarete, denn er hatte sie in Paris Hof halten sehen, und er wußte, daß sie, wenn sie in Liebesangelegenheiten wenig hellsehend war, irgendeinen Grund haben mußte, sich eine Binde um die Augen zu befestigen.
Gegen Abend kam Chicot nach Nerac, gerade zur Stunde der Promenaden, die den König von Frankreich und seinen Botschafter so sehr beschäftigten.
Chicot konnte sich übrigens von, der Leichtigkeit der königlichen Sitten durch die Art und Weise überzeugen, wie er zur Audienz zugelassen wurde. Ein einfacher Bedienter öffnete ihm die Tür des Salons, dessen Zugänge mit Blumen besetzt waren; über diesem Salon lagen das Vorzimmer des Königs und das Zimmer, das er bei Tag bewohnte, um die Audienzen zu erteilen, mit denen er so verschwenderisch war.
Ein Offizier, sogar nur ein Page, meldete ihm, wenn ein Besuch kam. Dieser Offizier oder dieser Page lief dem König nach, bis er ihn an irgendeinem Orte, wo er gerade war, fand. Der König kam auf die einfache Aufforderung und empfing den Bittsteller.
Chicot war ganz gerührt über diese anmutige Leichtigkeit. Er hielt den König für gut, lauter und sehr verliebt.
Dies war noch viel mehr seine Ansicht, als er am Ende einer langen, von blühenden Oleandern besetzten Allee den König von Navarra mit einem schlechten Filzhut, braungelben Wams und grauen Stiefeln ganz heiter, ein Bilboquet in der Hand, kommen sah.
Heinrich hatte eine glatte Stirn, als ob ihn keine Sorge mit ihrem Flügel zu berühren wagte, einen lachenden Mund, ein von Sorglosigkeit und Gesundheit glänzendes Auge. Während er sich näherte, riß er mit der linken Hand Blumen von der Einfassung ab.
»Wer will mich sprechen?« fragte er seinen Pagen.
»Sire, ein Mann, der halb das Aussehen eines vornehmen Herrn, halb das eines Kriegers hat.«
Chicot hörte diese Worte, ging freundlich auf ihn zu und sagte: »Ich, Sire.«
»Ah!« rief der König, seine Arme zum Himmel erhebend, »Herr Chicot in Navarra, Herr Chicot bei uns, Ventre-saint-gris! seid willkommen, mein lieber Herr Chicot.« – »Tausend Dank, Sire.«
»Gott sei Dank, ganz lebendig?« – »Ich hoffe es wenigstens, teurer Sire,« sagte Chicot, entzückt über diesen Empfang.
»Ah! parbleu, wir trinken miteinander ein Gläschen Limourwein, über den Ihr mir Euer Urteil sagen möget. Ihr gewährt mir in der Tat eine große Freude, Herr Chicot, setzt Euch hierher.« Und er deutete auf eine Rasenbank. – »Nie, Sire,« erwiderte Chicot, sich sträubend.
»Habt Ihr denn zweihundert Meilen gemacht, um mich zu besuchen, damit ich Euch stehen lasse? Nein, Herr Chicot, setzt Euch, setzt Euch, man plaudert nur sitzend gut.« – »Aber, Sire, die Ehrfurcht ...«
»Ehrfurcht bei uns, in Navarra? Du bist ein Narr, mein armer Chicot, wer denkt denn daran?« – »Nein, Sire,« entgegnete Chicot, »ich bin kein Narr, ich bin Botschafter.«
Eine leichte Falte bildete sich auf der Stirn des Königs; doch sie verschwand so
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