Die Fünfundvierzig
wenigen hatte sagen können, warum Margarethes Wangen so bleich waren. Margarethe hatte keine Vertraute, sie wollte keine mehr, seitdem die Leute ihre Ehre und ihr Vertrauen für Geld verkauft hatten.
Der Bearner schonte übrigens in ihr eine Tochter Frankreichs; er sprach mit ihr nur mit botmäßiger Höflichkeit oder freundlichem Sichgehenlassen; er beobachtetegegen sie bei jeder Gelegenheit und bei allen Dingen das Benehmen eines Gatten und eines Freundes.
Von Heinrich belehrt, begab Chicot sich in die Gemächer der Königin, doch er fand niemand. Margarethe war, wie man ihm sagte, am Ende der schönen Allee am Fluß, und er ging in diese berühmte Oleanderallee von dreitausend Schlitten.
Als er zwei Drittel durchwandert hatte, erblickte er unter einem Boskett von spanischem Jasmin und Reben eine buntscheckige Gruppe von Federn, Bändern und Samtdegen. Es ging Chicot ein Page voran; die Königin, deren Augen mit der ewigen Unruhe schwermütiger Herzen umherschweiften, erkannte die Farben von Navarra und rief dem Pagen.
»Was willst du, d'Aubiac?« fragte sie.
Der junge Mensch oder vielmehr das Kind, denn er war kaum zwölf Jahre alt, errötete und beugte ein Knie vor Margarethe.
»Madame,« sagte er französisch, denn die Königin verbot die Anwendung des Dialekts bei allen dienstlichen Meldungen und allen Geschäftssachen, »ein Herr aus Paris, vom Louvre an Seine Majestät den König von Navarra abgesandt und von Seiner Majestät dem König von Navarra an Euch geschickt, wünscht Eure Majestät zu sprechen.«
Ein plötzliches Feuer färbte das schöne Antlitz Margarethes. Sie wandte sich rasch und mit dem peinlichen Gefühle um, das bei jeder Veranlassung lange Zeit bedrückte Herzen durchdringt. Chicot stand unbeweglich zwanzig Schritte von ihr.
Ihre scharfen Augen erkannten an der Haltung und dem Profil bekannte Formen; sie verließ den Kreis, statt den Ankömmling nähertreten zu lassen.
Während sie sich indessen umwandte, um die Gesellschaft zu verabschieden, machte sie mit der Spitze der Finger einem der reichstgekleideten und schönsten Edelleute einZeichen. Der Abschied für alle war in Wirklichkeit nur ein Abschied für einen einzigen.
Da jedoch der bevorzugte Kavalier trotz des Grußes nicht ohne Unruhe zu sein schien, und da ein Frauenauge alles sieht, so sagte Margarethe: »Herr von Turenne, wollt diesen Damen sagen, daß ich im Augenblick zurückkomme.«
Der hübsche Edelmann mit dem weißblauen Wams verbeugte sich mit mehr Leichtigkeit, als es ein gleichgültiger Höfling getan hätte.
Die Königin trat rasch auf Chicot zu, der die Szene, die so sehr mit den Ausdrücken des Briefes, den er brachte, im Einklang stand, mit prüfendem Auge betrachtet hatte, ohne sich einen Zoll von der Stelle zu rühren.
»Herr Chicot!« rief Margarethe erstaunt. – »Zu den Füßen Eurer Majestät,« sagte Chicot, »die stets gut und stets schön und immer Königin ist, wie im Louvre so in Nerac.«
»Es ist ein Wunder, Euch so fern von Paris zu sehen.« – »Verzeiht, Madame, nicht der arme Chicot hat den Gedanken gehabt, dieses Wunder zu tun.«
»Ich glaube das wohl, Ihr waret tot, wie man sagte.« – »Ich spielte den Toten.«
»Was wollt Ihr von uns, Herr Chicot, sollte ich so glücklich sein, daß man sich in Frankreich der Königin von Navarra erinnerte?« – »Oh! Madame,« erwiderte Chicot lächelnd, »seid unbesorgt, man vergißt die Königinnen bei uns nicht, wenn sie Euer Alter und besonders Eure Schönheit haben.«
»Man ist also immer noch artig in Paris?« – »Der König von Frankreich,« sagte Chicot, ohne die letzte Frage zu beantworten, »schreibt sogar an den König von Navarra über diesen Gegenstand.«
Margarethe errötete. »Er schreibt?« fragte sie. – »Ja, Madame.«
»Habt Ihr den Brief gebracht?« – »Gebracht, nein, aus Gründen, die Euch der König von Navarra erklären wird,aber auswendig gelernt und aus dem Gedächtnis wiederholt.«
»Ich begreife; der Brief war wichtig, und Ihr befürchtetet, er könnte, verloren gehen oder Euch gestohlen werden.« – »So ist es, Madame; Eure Majestät entschuldige mich; aber der Brief war lateinisch geschrieben.«
»Oh! sehr gut! Ihr wißt, daß ich das Lateinische verstehe.« – »Und der König von Navarra versteht es auch?«
»Mein lieber Herr Chicot, es ist sehr schwer zu wissen, was der König von Navarra weiß oder nicht weiß.« – »Ah! ah!« machte Chicot, glücklich, zu sehen, daß er nicht allein den
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