Die Fünfundvierzig
im Sattel saß, beschloß er, nicht eher anzuhalten, als bis er sich an sicherem Orte befände; er galoppierte daher so rasch, als es ihm die Pferde bei dreißigmaligem Wechsel gestatteten. Er selbst war wie aus Stahl gemacht und schien nach sechzig Meilen, die er in zwanzig Stunden zurückgelegt, nicht im geringsten ermüdet. Erst nachdem er in drei Tagen Bordeaux erreicht hatte, erlaubte er sich, ein wenig Atem zu schöpfen.
Er dachte nunmehr mit Ernst an die schwierige Mission, die er übernommen. Chicot wußte, daß Heinrich von Navarra das nicht war, was er zu sein schien, und daß es gelte, ihm mit großer Vorsicht und Verstellung entgegenzutreten.
Sobald er sich innerhalb der Grenze des kleinen Fürstentums Navarra, eines Landes, dessen Armut in Frankreich sprichwörtlich geworden, befand, sah Chicot zuseinem großen Erstaunen nicht mehr auf jedem Gesicht, an jedem Hause, an jedem Stein den Zahn des gräßlichen Elends eingedrückt, der die schönsten Provinzen des herrlichen Frankreich, die er verlassen, zernagte.
Der Holzhauer, der, den Arm auf das Joch seines Lieblingsochsen stützend, vorüberzog, das Mädchen mit dem kurzen Rock und dem behenden Gang, das Wasser auf dem Kopfe trug; der Greis, der, sein, weißes Haupt wiegend, ein Lied aus seiner Jugendzeit trällerte; das gebräunte Kind, mit den mageren, aber nervigen Gliedern, das auf Haufen von Maisblättern spielte; alles redete zu Chicot eine lebendige, klare, verständliche Sprache; alles rief ihm auf jedem Schritt, den er vorwärts tat, zu: »Sieh, hier ist man glücklich!«
Von einem Bauern erfuhr er unterwegs, daß der König in Nerac war. Auf der Straße dorthin fand er viele Leute, die vom Markte von Condom kamen.
Man teilte ihm mit, daß der König von Navarra ein sehr lustiges Leben führe, und daß er ohne Ruh und Rast von einer Liebschaft zur anderen übergehe.
Chicot war so glücklich gewesen, auf dem Wege mit einem jungen katholischen Priester, einem Schafhändler und einem Offizier zusammenzutreffen, die sich von Mont-de-Marsan an Gesellschaft leisteten und, wo man anhielt, bei schwelgerischen Mahlen vertrauliche Gespräche pflogen.
Diese Leute schienen ihm vortrefflich das gelehrte, das handeltreibende und das kriegführende Navarra zu vertreten. Der Geistliche erzählte ihm von den Sonetten, die man auf die Liebschaft des Königs mit der schönen Fosseuse, einer Tochter René Montmorencys, Barons von Fosseur, machte.
»Sprecht!« sagte Chicot, »man glaubt in Paris, Seine Majestät der König von Navarra sei wahnsinnig in Fräulein Le Rebours verliebt.«
»Oh!« erwiderte der Offizier, »das war in Pau.«
»Ja, ja,« bestätigte der Geistliche, »das war in Pau.«
»Ah! das war in Pau,« versetzte der Handelsmann, der als einfacher Bürger am wenigsten gut von den dreien unterrichtet zu sein schien.
»Wie!« fragte Chicot, »der König hat also in jeder Stadt eine Geliebte?«
»Das könnte wohl sein,« antwortete der Offizier, »denn soviel mir bewußt ist, war er der Liebhaber von Fräulein Dayelle, während ich in Castelnaudary in Garnison lag.«
»Wartet!« sagte Chicot, »Fräulein Dayelle, eine Griechin?«
»So ist es,« sagte der Geistliche, »eine Cypriotin.«
»Verzeiht!« sagte der Handelsmann, höchlich erfreut, sein Wort anbringen zu können, »ich bin von Agen.«
»Nun?«
»Ich kann dafür stehen, daß der König Fräulein Tignonville in Agen gekannt hat.«
»Alle Wetter!« rief Chicot, »was für ein rüstiger Liebhaber! Doch um auf Fräulein Dayelle zurückzukommen, deren Familie ich kannte ...«
»Fräulein Dayelle war eifersüchtig und drohte unablässig; sie hatte einen hübschen, kleinen, gebogenen Dolch, den sie auf den Arbeitstisch legte, und eines Tages reiste der König ab, nahm den Dolch mit und sagte, er wolle nicht, daß seinem Nachfolger Unglück widerfahre.«
»So daß zu dieser Stunde Seine Majestät ganz Fräulein Le Rebours gehört?« fragte Chicot.
»Im Gegenteil,« erwiderte der Priester, »sie sind entzweit; sie war eines Präsidenten Tochter und als solche ein wenig zu stark im Prozessieren. Sie hat infolge der Eingebungen der Königin-Mutter so viel gegen die Königin plädiert, daß die Arme darüber krank wurde. Die Königin Margot, die nicht dumm ist, benutzte das zu ihrem Vorteil und bestimmte den König, Pau mit Nerac zu vertauschen, wodurch eine Liebschaft abgeschnitten wurde.«
»Also ist die neue Leidenschaft des Königs für die Fosseuse?« fragte Chicot.
»Oh! mein
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