Die Fünfundvierzig
ihr Wort halten.«
»Ich werde warten, ich werde zehn Jahre warten, wenn es sein muß,« rief Henri;,»Gott gestattete nicht, daß sie vor Kummer starb oder mit Gewalt ihre Tage abkürzte,wie Ihr seht; da sie nicht tot ist, kann sie leben, und da sie lebt, darf ich hoffen«
»Oh! junger Mann!« sagte der Diener mit düsterem Tone, »rechnet nicht so mit den Forderungen der Toten; sie hat gelebt! sagt Ihr; ja, sie hat gelebt! nicht einen Tag, nicht einen Monat, nicht ein Jahr; sie hat sieben Jahre gelebt! (Joyeuse bebte.) Noch wißt Ihr warum, in welcher Absicht, mit welchem Entschluß sie gelebt hat? Sie werde sich trösten, hofft Ihr? Nie, nie, Herr Graf! das sage ich Euch, das schwöre ich Euch, ich, der ich nur der untertänige Diener des Toten war, ich, der ich, solange er lebte, ein frommes, glühendes, hoffnungsvolles Gemüt war und, seitdem er tot ist, ein verhärtetes Herz geworden bin; ich, der ich nur ihr Diener bin, wiederhole Euch, sie wird sich nie trösten.«
»Dieser so sehr beklagte Mann,« unterbrach ihn Henri, »dieser glückliche Tote, dieser Gatte ...«
»Es war nicht der Gatte; es war der Geliebte, Herr Graf, und eine Frau wie die, die Ihr unglücklicherweise liebt, hat nur einen Geliebten in ihrem ganzen Leben.«
»Mein Freund!« rief der junge Mann, erschrocken über die majestätische Art dieses einfachen Menschen, »ich beschwöre Euch, vermittelt für mich!«
»Ich!« rief er, »ich! Hört, Herr Graf, wenn ich Euch für fähig gehalten hätte, gegen meine Gebieterin Gewalt zu gebrauchen, so hätte ich Euch mit dieser Hand getötet.«
Und er zog unter seinem Mantel einen nervigen Arm hervor, der einem Mann von kaum fünfundzwanzig Jahren zu gehören schien, während ihm seine weißen Haare und seine gebückte Gestalt das Ansehen eines Sechzigers gaben.
»Und hätte ich glauben können, meine Gebieterin liebe Euch,« fuhr er fort, »so wäre sie gestorben ... Nun, Herr Graf, habe ich Euch gesagt, was ich Euch zu sagen hatte, versucht es nicht, mich zu einem weiteren Geständnis zu bewegen; denn bei meiner Ehre, und, obgleich ich kein Edelmann bin, glaubt mir, meine Ehre ist etwaswert ..., denn bei meiner Ehre, ich habe alles gesagt, was ich sagen konnte.«
Henri stand, den Tod im Herzen, auf und sagte: »Ich danke Euch, daß Ihr dieses Mitleid mit meinem Unglück gehabt habt; nun bin ich entschieden.«
»Ihr werdet also in Zukunft ruhiger sein, Herr Graf, Ihr werdet Euch von uns entfernen, Ihr werdet uns einem Geschick überlassen, das, glaubt mir, schlimmer ist, als das Eurige.«
»Ja, ich werde mich in der Tat entfernen, seid unbesorgt, und zwar für immer,« sagte der junge Mann.
»Ich verstehe Euch, Ihr wollt sterben.«
»Warum sollte ich es verbergen? Ich kann ohne sie nicht leben und so muß ich wohl sterben, wenn ich sie nicht besitze.«
»Herr Graf, ich habe sehr oft mit meiner Gebieterin über den Tod gesprochen; glaubt mir, es ist ein schlimmer Tod, der Tod, den man sich mit eigener Hand gibt.«
»Ich werde auch diesen nicht, wählen; es gibt für einen jungen Mann von meinem Namen, meinem Alter und meinem Vermögen einen Tod, der jederzeit ein schöner Tod gewesen ist, es ist dies der, den man in Verteidigung seines Königs und seines Vaterlandes empfangt.«
»Wenn Ihr über Eure Kräfte leidet, wenn Ihr denen, die Euch überleben, nichts schuldig seid, wenn Euch der Tod aus dem Schlachtfelde geboten ist, sterbt, Herr Graf, sterbt; ich wäre längst tot, wenn ich nicht zum Leben verurteilt wäre.«
»Gott befohlen und Dank,« sagte Joyeuse, indem er dem unbekannten Diener die Hand reichte. »Auf Wiedersehen in einer andern Welt!«
Und er warf zu den Füßen des durch diesen tiefen Schmerz gerührten Dieners eine schwere Goldbörse und entfernte sich rasch.
Es schlug Mitternacht im Glockenturm von Saint-Germain des Pres.
Wie eine vornehme Dame im Jahre der Gnade 1586 liebte.
Das dreimalige Pfeifen, das in gleichmäßigen Zwischenräumen die Luft durchdrungen hatte, sollte wohl dem glückseligen Ernauton als Signal dienen.
Als der junge Mann dem Hause nahekam, fand er Frau Fournichon unter der Tür, wo sie die Kunden mit einem Lächeln erwartete, das sie einer flämischen Göttin ähnlich machte.
Sie hielt noch in ihren fetten, weißen Händen einen Goldtaler, den eine andere Hand ebenso weiß, aber zarter als die ihrige im Vorübergehen dareingelegt hatte. Sie schaute Ernauton an, füllte, ihre Hände auf die Hüften legend, den Raum der Tür so aus, daß jeder
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