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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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wieder in die Scheide.
    »Entschuldigt mich, ich bin halb verrückt, denn ich bin verliebt.« – »Und ich auch, ich bin auch verliebt, doch ich halte mich deshalb nicht für verrückt.«
    Henri erbleichte.
    »Ihr seid verliebt?« – »Ja.«
    »Und Ihr gesteht es?« – »Seit wann ist das ein Verbrechen?«
    »Aber verliebt in dieser Straße?« – »Für den Augenblick, ja.«
    »In des Himmels Namen, sagt mir, wen Ihr liebt.« – »Ah! Herr du Bouchage, Ihr habt nicht bedacht, was Ihr sagt. Ihr wißt wohl, daß ein Edelmann ein Geheimnisnicht enthüllen darf, das ihm nur zur Hälfte gehört.«
    »Es ist wahr, es ist wahr, verzeiht, Herr von Carmainges; doch in der Tat, es ist niemand unter dem Himmel so unglücklich wie ich.«
    In den wenigen Worten lag so viel wahrer Schmerz, so viel beredte Verzweiflung, daß Ernauton tief gerührt war. »Oh! mein Gott,« sagte er, »ich verstehe, Ihr befürchtet, wir seien Nebenbuhler.«
    »Ich befürchte es.« – »Hm! Nun, ich will offenherzig sein.«
    Joyeuse erbleichte und fuhr mit der Hand über die Stirn.
    »Ich habe eine Einladung zum Rendezvous,« fuhr Ernauton fort.
    »Ihr habt ein Rendezvous?« – »Ja, in der besten Form.«
    »In dieser Straße?« – »In dieser Straße.«
    »Geschrieben?« – »Ja, mit einer sehr hübschen Handschrift.«
    »Von einer Frau?« – »Nein, von einem Mann.«
    »Von einem Mann? Was wollt Ihr damit sagen?« – »Nichts anderes, als was ich sage. Ich habe ein Rendezvous mit einer Frau von einer sehr hübschen Männerhandschrift; das ist nicht so geheimnisvoll, doch es ist eleganter; man hat einen Sekretär, wie es scheint.«
    »Ah!« sagte Henri, »vollendet, mein Herr, in des Himmels Namen, vollendet!« – »Ihr fragt mich auf eine Weise, daß ich die Antwort nicht zu verweigern wüßte. Ich will also den Inhalt sagen.«
    »Ich höre.« – »Ihr werdet sehen, ob es dasselbe ist, wie bei Euch.«
    »Genug, mein Herr, ich bitte; mir hat man kein Rendezvous gegeben, und ich habe kein Billett erhalten.« – Ernauton zog ein kleines Papier aus seiner Börse. »Hier ist das Billett, es wäre schwierig für mich, es Euch bei dieserfinsteren Nacht vorzulesen; doch es ist kurz, und ich weiß es auswendig; Ihr werdet Euch darauf verlassen, daß ich Euch nicht täusche.«
    »Oh! ganz und gar.« – »Vernehmt also die Ausdrücke, in denen es abgefaßt ist: »Herr Ernauton, mein Sekretär ist von mir beauftragt, Euch zu sagen, daß ich ein großes Verlangen habe, eine Stunde mit Euch zu plaudern; Euer Verdienst hat mich gerührt.«
    »Das steht darin?« – »Meiner Treu, ja, der Satz ist sogar unterstrichen. Ich übergehe einen andern Satz, der etwas zu schmeichelhaft für mich ist.«
    »Und man erwartet Euch?« – »Das heißt, ich erwarte, wie Ihr seht.«
    »Dann muß man Euch die Türen öffnen?« – »Nein, man muß dreimal aus dem Fenster pfeifen.«
    Ganz bebend legte Henri eine Hand auf Ernautons Arm, deutete mit der andern auf das geheimnisvolle Haus und fragte: »Von dort?« – »Keineswegs,« antwortete Ernauton, den Zeigefinger nach den Türmchen des » Kühnen Ritters « ausstreckend, »von dort.«
    Heinrich stieß einen Freudenschrei aus.
    »Ihr geht also nicht hierher?« – »Nein, das Billett sagt ganz genau. ›Gasthof zum Kühnen Ritter ‹.«
    »Ah! seid gesegnet,« sagte der junge Mann, indem er ihm die Hand drückte; »oh! verzeiht mir meine Unhöflichkeit, meine Torheit! Ach! Ihr wißt, für den Mann, der wahrhaft liebt, gibt es nur eine Frau, und als ich Euch immer wieder auf dieses Haus zukommen sah, glaubte ich, Ihr würdet von dieser Frau erwartet.«
    »Ihr irrt Euch, doch wartet!«
    »Was?« – »Hat man nicht gepfiffen?«
    »In der Tat, mir scheint, ich habe pfeifen hören.«
    Die jungen Männer horchten; ein zweiter Pfiff machte sich in der Richtung des » Kühnen Ritters « hörbar.
    »Herr Graf!« sagte Ernauton, »Ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich Euch nicht länger Gesellschaft leiste,doch ich glaube, das ist mein Signal.« – Ein dritter Pfiff wurde vernommen.
    »Geht, mein Herr, geht,« sagte Henri, »und viel Glück!«
    Ernauton entfernte sich raschen Schrittes, und der andere sah ihn im Schatten der Straße verschwinden, um im Lichte wieder zu erscheinen, das aus den Fenstern des » Kühnen Ritters « herabfiel, und dann abermals zu verschwinden.
    Noch düsterer als zuvor sagte Henri zu sich selbst: »Auf! machen wir's wie gewöhnlich, klopfen wir an die verfluchte Tür, die sich nie

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