Die Fünfundvierzig
Auge starr, die Hand am Degen, zu sagen schien: »Du wirst nicht weiter gehen, ohne auf Sturm zu stoßen.«
Der Spaziergänger mit der roten Feder machte zwanzig Gänge, ohne etwas von all dem zu bemerken, so sehr war er mit sich selbst beschäftigt.
Der andere aber wurde durch das Erscheinen seines Gegenübers so schwer gereizt, daß dieser es beim Aufblicken endlich bemerken mußte. Er las auf dessen Gesicht den größten Unwillen.
Dies brachte ihn natürlich auf den Gedanken, er sei dem jungen Mann lästig; diesem Gedanken entsprang sodann das Verlangen, sich zu erkundigen, in welcher Hinsicht er ihm lästig sei. Er schaute demzufolge Robert Briquets Haus aufmerksam an. Dann ging er von diesem Hause zu dem über, das dessen Gegenstück bildete.
Als er endlich beide angeschaut hatte, wandte er seinem Gegenüber den Rücken und kehrte zu den blitzenden Öfen Meister Fournichons zurück.
Glücklich, seinen Gegner in die Flucht geschlagen zu haben, denn er hielt die Umkehr, die er ihn machen sah, für eine Flucht, schritt der Mann mit der weißen Feder in seiner Richtung, nämlich von Osten nach Westen, fort, während der andere von Westen nach Osten ging. Bald aber standen sie sich, da beide umkehrten, gegenüber wie zuvor.
Der Mann mit der weißen Feder zerrte mit einer Bewegung sichtbarer Ungeduld an seinem kleinen Schnurrbart. Der mit der roten Feder nahm eine erstaunte Miene an und warf dann einen Blick auf das geheimnisvolle Haus.
Das nächstemal aber schritt der Ungeduldige mit der weißen Feder, statt jenseits des Baches zu bleiben, überdiesen und ließ seinen Gegner zurückweichen, so daß dieser, der einen solchen Angriff nicht vermutete und seine beiden Arme unter den Mantel gewickelt hatte, beinahe das Gleichgewicht verlor.
»Ah! mein Herr,« sagte der letztere, »seid Ihr ein Narr oder habt Ihr die Absicht, mich zu beleidigen?« – »Mein Herr, ich habe die Absicht, Euch begreiflich zu machen, daß Ihr mich sehr belästigt; es schien mir sogar, als hättet Ihr es bemerkt, ohne daß ich es Euch zu sagen brauchte.«
»Durchaus nicht, denn es ist mein System, nie etwas zu sehen, was ich nicht sehen will.« – »Es gibt jedoch, wie ich hoffe, gewisse Dinge, die Eure Blicke auf sich ziehen würden, wenn man sie vor Euren Augen glänzen ließe.«
Dabei schlug die weiße Feder den Mantel zurück und zog den Degen.
Der Mann mit der roten Feder blieb unbeweglich. »Mein Herr,« sagte er, die Achseln zuckend, »man sollte glauben, Ihr hättet nie eine Klinge aus der Scheide gezogen, mit solcher Eile zieht Ihr sie gegen einen, der sich nicht verteidigt.«
»Nein, aber der sich hoffentlich verteidigen wird.«
Die rote Feder lächelte mit einer Ruhe, die den Zorn ihres Gegners verdoppelte.
»Warum dies? und welches Recht habt Ihr, mich zu hindern, auf der Straße spazierenzugehen?« – »Warum geht Ihr in dieser Straße spazieren?«
»Bei Gott! eine schöne Frage! weil es mir beliebt.« – »Ah! es beliebt Euch!«
»Allerdings, Ihr geht wohl auch hier! Habt Ihr eine Erlaubnis vom König, allein das Pflaster der Rue de Bussy zu treten?« – »Was ist daran gelegen, ob ich Erlaubnis habe oder nicht habe!«
»Ihr täuscht Euch, es ist viel daran gelegen; ich bin ein getreuer Untertan Seiner Majestät und möchte ihrenBefehlen nicht gern ungehorsam sein.« – »Ah! Ihr spottet, glaube ich!«
»Wenn dem so wäre? Ihr droht wohl!« – »Himmel und Erde! Ich sage Euch, daß Ihr mir lästig seid, mein Herr, und daß ich Euch, wenn Ihr nicht freiwillig vom Platze geht, wohl zu entfernen wissen werde.«
»Oh! oh! mein Herr, das müßte man sehen.« – »Ei! beim Teufel, ich sage Euch schon seit einer Stunde: sehen wir!«
»Mein Herr, ich habe hier ein besonderes Geschäft, das wißt Ihr nun. Ist es durchaus Euer Wunsch, so will ich wohl einen Gang mit Euch machen, doch ich entferne mich nicht.« – »Mein Herr,« sagte der Mann mit der weißen Feder, indem er seinen Degen pfeifen ließ und seine beiden Füße zusammenzog, wie ein Mensch, der sich auszulegen im Begriff ist, »ich heiße Graf Henri du Bouchage und bin der Bruder des Herzogs von Joyeuse; ich frage Euch zum letzten Male, beliebt es Euch, mir den Platz abzutreten und Euch zu entfernen?«
»Mein Herr,« erwiderte die rote Feder, »ich bin der Vicomte Ernauton von Carmainges; Ihr seid mir keineswegs lästig, und ich finde es durchaus nicht schlimm, wenn Ihr bleibt.« – Du Bouchage dachte einen Augenblick nach und steckte seinen Degen
Weitere Kostenlose Bücher