Die Fünfundvierzig
Soldat, der seine letzte Waffe übergibt.
»Wenn Ihr alles gestanden habt, so seid Ihr gerettet, Herr von Salcède,« sagte der Leutnant.
Ein aus Spott und Unruhe gemischtes Lächeln trat auf den Lippen des Verurteilten hervor, der den geheimnisvollen Pagen ungeduldig zu befragen schien.
Ermüdet wollte Ernauton seine Last niedersetzen und öffnete die Arme. Der Page glitt auf den Boden. Mit ihm verschwand die Vision, die den Verurteilten aufrechterhalten hatte. Dieser suchte den Kopf mit den Augen; dann rief er ganz verwirrt: »Nun! nun!«
Niemand antwortete.
»Rasch, rasch, beeilt euch,« sagte er; »der König hat das Papier in der Hand, er wird es sogleich lesen.« Aber niemand rührte sich.
»Oh! tausend Teufel!« rief Salcède, »sollte man mich hintergangen haben? Ich erkannte sie doch wohl! Sie war es, sie war es!«
Kaum hatte der König inzwischen das Papier entfaltet und die ersten Zeilen durchlaufen, als er von Entrüstung ergriffen zu sein schien. Dann erbleichte er und schrie: »Oh! der Elende!... oh! der boshafte Mensch!«
»Was gibt es, mein Sohn?« fragte Catharina.
»Er nimmt alles zurück, meine Mutter; er behauptet, nie etwas gestanden zu haben.«
»Und?« – »Er erklärt die Herren von Guise für unschuldig an allen Komplotten.«
»In der Tat,« stammelte Catharina, »wenn es wahr ist.« – »Er lügt,« rief der König, »er lügt wie ein Heide.«
»Was wißt Ihr davon, mein Sohn? Die Herren vonGuise sind vielleicht verleumdet worden. Die Richter haben vielleicht in ihrem zu großen Eifer die Angaben falsch ausgelegt.« – »Ei! Madame,« rief Heinrich, der sich nicht länger bemeistern konnte, »ich habe alles gehört.«
»Ihr, mein Sohn?« – »Ja, ich.«
»Und wann dies?« – »Als der Schuldige die Folter auszuhalten hatte... ich war hinter einem Vorhang; ich habe nicht eines von seinen Worten verloren, und jedes von diesen Worten drang in meinen Kopf wie ein Nagel unter dem Hammer.«
»Nun, so laßt ihn unter der Folter sprechen, da er die Folter braucht; befehlt, daß die Pferde anziehen.«
Vom Zorne hingerissen, erhob Heinrich die Hand. Der Leutnant Tranchon wiederholte das Zeichen. Schon waren die Stricke wieder an die vier Glieder des Missetäters gebunden worden; vier Männer sprangen auf die vier Pferde; vier Peitschenhiebe erschollen, und die vier Rosse stürzten in entgegengesetzten Richtungen fort.
Ein furchtbares Krachen und ein entsetzlicher Schrei wurden zu gleicher Zeit vom Boden des Schafotts hörbar. Man sah, wie die Glieder des unglücklichen Salcède blau wurden, sich verlängerten und mit Blut unterliefen; sein Gesicht war nicht mehr das eines menschlichen Geschöpfes: es war die Maske eines Dämons.
»Ah! Verrat! Verrat!« schrie er. »Nun! ich werde sprechen, ich will sprechen, ich will alles sagen. Ah! verfluchte Herzog . .«
Seine Stimme übertönte das Gewieher der Pferde und den Lärm der Menge; aber plötzlich erlosch sie.
»Haltet ein! haltet ein!« rief Catharina.
Es war zu spät. Kurz zuvor noch starr vor Schmerz und Wut, fiel Salcèdes Kopf plötzlich auf den Boden des Blutgerüstes.
»Laßt ihn sprechen,« rief die Königinmutter. »Haltet ein, haltet doch ein!«
Salcèdes Auge war übermäßig erweitert, es blieb hartnäckigauf die Gruppe geheftet, wo der Page erschienen war. Tranchon folgte geschickt der Richtung. Aber Salcède konnte nicht mehr sprechen, er war tot.
Tranchon gab leise seinen Bogenschützen einige Befehle, und diese durchsuchten die Menge in der durch Salcèdes Blicke bezeichneten Richtung.
»Ich bin entdeckt,« sagte der junge Page Ernauton ins Ohr; »habt Mitleid, helft mir, unterstützt mich, Herr, sie kommen! sie kommen!« – »Aber wer seid Ihr denn?«
»Eine Frau... rettet mich, beschützt mich!«
Ernauton erbleichte, aber der Edelmut trug den Sieg über das Erstaunen und die Furcht davon. Er stellte seine Schutzbefohlene vor sich, brach ihr Bahn durch gewaltige Streiche mit dem Knopfe seines Degens und trieb sie bis zur Ecke der Rue du Mouton, gegen eine offene Tür. Der junge Page stürzte darauf zu und verschwand in dieser Tür, die ihn zu erwarten schien und sich hinter ihm schloß.
Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, ihn nach seinem Namen zu fragen, noch wo er ihn wiederfinden würde. Aber während er verschwand, machte ihm der Page, als hätte er seinen Gedanken erraten, ein verheißungsvolles Zeichen.
Nunmehr frei, wandte sich Ernauton gegen den Mittelpunkt des Platzes um und umfaßte mit einem
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