Die Fünfundvierzig
Sache nicht kalt werden,« sagte Militor.
Eustache warf sich in die Brust, ging auf Carmainges zu und sagte zu ihm: »Mein Herr, man behauptet, Ihr hättet besonders unangenehm gegen mich sein wollen?«
»Wann dies?« – »Soeben.«
»Gegen Euch?« – »Gegen mich.«
»Wer behauptet dies?« – »Dieser Herr,« antwortete Eustache, auf Militor deutend.
»Dann ist dieser Herr,« entgegnete Carmainges mit einem besonderen Nachdruck auf die Betitelung, »dann ist dieser Herr ein Starmatz.« – »Oh! oh!« machte Militor wütend.»Und ich fordere ihn auf,« fuhr Carmainges fort, »mit dem Schnabel fern von mir zu bleiben, oder ich werde mich an Loignacs Rat erinnern.«
»Herr von Loignac hat nicht gesagt, ich wäre ein Starmatz.«
»Nein, er hat gesagt, Ihr wäret ein Esel, zieht Ihr das etwa vor? Mir ist wenig daran gelegen; seid Ihr ein Esel, so gebe ich Euch die Peitsche, seid Ihr ein Starmatz, so rupfe ich Euch.«
»Mein Herr,« sagte Eustache, »es ist mein Stiefsohn; ich bitte Euch, behandelt ihn besser aus Rücksicht für mich.«
»Ah! so verteidigt Ihr mich, Stiefvater,« rief Militor außer sich; »da werde ich mich besser allein verteidigen.«
»In die Schule mit diesen Kindern, in die Schule!« sagte Ernauton.
»In die Schule?« rief Militor, mit aufgehobener Faust gegen Herrn von Carmainges vorrückend, »ich bin siebzehn Jahre alt, versteht Ihr wohl, mein Herr?«
»Und ich bin fünfundzwanzig,« entgegnete Ernauton, »und deshalb will ich Euch, wie Ihr es verdient, zurechtweisen.«
Und er packte ihn beim Kragen und am Gürtel, hob ihn von der Erde auf und warf ihn wie einen Ballen zum Fenster des Erdgeschosses hinaus auf die Straße, während Lardille ein Geschrei ausstieß, daß die Wände hätten einfallen sollen.
»Nun mache ich aus Stiefvater, Stiefmutter, Stiefsohn und allen Stieffamilien der Welt Fleisch zu Pasteten, wenn man mich noch einmal stört,« fügte Ernauton ruhig bei.
»Wahrhaftig, ich finde, er hat recht,« sagte Miradoux, »warum diesen Edelmann reizen?«
»Ah! Feiger, der seinen Sohn schlagen läßt,« rief Lardille, auf Eustache zurückend und ihre zerstreuten Haare schüttelnd.»Nun, nun, nun,« sagte Eustache, »das bildet seinen Charakter.«
»Ah! ah! sagt doch, man wirft also hier die Leute aus dem Fenster?« rief ein Offizier, der eben eintrat; »was Teufels, wenn man solche Späße treibt, sollte man wenigstens ›Aufgepaßt da unten!‹ rufen.«
»Herr von Loignac!« riefen zwanzig Stimmen.
»Herr von Loignac!« wiederholten die Fünfundvierzig.
Und bei diesem in der ganzen Gaskogne bekannten Namen standen alle auf und schwiegen.
Herr von Loignac.
Hinter Herrn von Loignac trat Militor, wie gemahlen durch seinen Sturz und purpurrot vor Zorn, ein.
»Ich grüße Euch, meine Herren,« sagte Loignac; »mir scheint, es geht etwas stürmisch zu. Ah! ah! Meister Militor hat wieder den Zänker gemacht, und darunter muß seine Nase leiden.«
»Man wird mir meine Schläge bezahlen,« brummte Militor, Carmainges die Faust weisend.
»Tragt auf, Meister Fournichon,« rief Loignac, »und jeder sei freundlich gegen seinen Nachbarn. Von diesem Augenblick an sollt Ihr Euch lieben wie Brüder.«
»Hm!« machte Sainte-Maline.
»Die Nächstenliebe ist selten,« sagte Chalabre, während er über seinem eisengrauen Wams seine Serviette so ausbreitete, daß ihm kein Unfall begegnen konnte, wie groß auch der Überfluß an Brühen sein mochte.
»Und sich so von nahem lieben ist schwierig,« fügte Ernauton hinzu, »allerdings sind wir nicht auf lange Zeit beisammen.«
»Seht,« rief Pincorney, der Malines Spöttereien noch auf dem Herzen hatte, »man verhöhnt mich, weil mirmein Hut abhanden gekommen ist, und man sagt nichts über Herrn von Montcrabeau, der mit einem Panzer aus der Zeit des Kaisers Pertinax, von dem er aller Wahrscheinlichkeit nach abstammt, zu Mittag speisen will.... Das ist Defensive.«
Montcrabeau erhob sich gereizt und sagte mit einer Falsettstimme: »Meine Herren, ich nehme ihn ab, dies zur Kunde für die, die mich lieber mit Angriffswaffen als mit Verteidigungswaffen sehen.«
Und er band majestätisch seinen Panzer los und befahl seinem Lakaien, einem Graukopf von fünfzig Jahren, zu ihm zu kommen.
»Friede, Friede!« rief Herr von Loignac, »setzen wir uns zu Tische!«
»Befreit mich von diesem Panzer, ich bitte Euch,« sagte Pertinax zu seinem Lakaien.
Der Graukopf nahm ihn aus seinen Händen und fragte leise: »Und ich, werde ich nicht auch zu
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