Die Fünfundvierzig
ganz begeistert.
»Gut, gut, man kann sich unmöglich freundlicher entschuldigen, als Ihr es tut, Dom Modeste; ich verzeihe Euch.« – »Oh!« machte Gorenflot voll Rührung.
»Ihr seid stets mein Freund, mein wahrer Freund,« Gorenflot wischte eine Träne ab. »Aber wir wollen frühstücken, und ich will nachsichtig gegen das Frühstück sein,« – »Hört,« sagte Gorenflot begeistert, »ich werde dem Bruder Küchenmeister sagen, wenn das Essen nicht königlich sei, so lasse ich ihn einstecken.«
»Tut das, Ihr seid der Herr.« – »Und wir wollen einige von den Flaschen der erwarteten Dame entpfropfen.«
»Ich werde Euch mit meiner Erleuchtung unterstützen, mein Freund.« – »Erlaubt, daß ich Euch umarme, Chicot.«
»Erstickt mich nicht, und laßt uns plaudern.«
Die Tischgenossen.
Dom Modeste ließ den Bruder Eusèbe rufen, der nicht vor seinem Oberen, sondern vor seinem Richter erschien. Aus der Art und Weise, wie man ihn vorgefordert, hatte er erraten können, daß etwas Außerordentliches bei dem ehrwürdigen Prior vorging.
»Bruder Eusèbe,« sagte Gorenflot mit strengem Tone, »hört, was Robert Briquet, mein Freund, Euch sagen wird. Ihr werdet nachlässig, wie es scheint. Ich habe über schwere Unpünktlichkeiten bei Eurer letzten Kraftsuppe und über eine unselige Unachtsamkeit in betreff der farcierten Ohren klagen hören. Nehmt Euch in acht, Bruder Eusèbe,ein einziger Schritt auf dem schlimmen Weg zieht den ganzen Körper nach sich.«
Der Mönch errötete und erbleichte abwechselnd und stammelte eine Entschuldigung, die nicht angenommen wurde.
»Genug,« sagte Gorenflot, und Bruder Eusèbe schwieg.
»Was habt Ihr heute zu frühstücken?« fragte der ehrwürdige Prior.
Unter scharfer Kritik des gestrengen und wählerischen Abtes wurde sodann als Frühstücksprogramm aufgestellt: Rühreier mit Hahnenkämmen – gefüllte Champignons – Krebse in Madeira – in Sekt gekochter Schinken mit Pistazien – Aal – Thymiancreme.
Eusèbe verbeugte sich und ging hinaus.
Der Bruder Kellermeister folgte auf den Bruder Eusèbe und erhielt nicht minder pünktliche und nicht minder ins einzelne gehende Befehle.
Zehn Minuten nachher saßen die Freunde vor einem mit einem feinen Tuche bedeckten Tisch, in großen, ganz mit Kissen ausgelegten Lehnstühlen begraben, Messer und Gabel in der Hand, wie zwei Duellanten einander gegenüber.
Obgleich groß genug für sechs Personen, war die Tafel doch vollgestellt; dergestalt hatte der Kellermeister Flaschen von verschiedenen Formen und Etiketten aufgehäuft.
Dem Programm getreu, schickte Eusèbe Rühreier, Krebse und Champignons, die die Luft mit einem milden Dampf von Trüffeln und von Butter durchdufteten, wozu sodann der Geruch des Thymiancreme und des Maduraweins kam.
Chicot griff wie ein Hungriger an, der Prior dagegen wie ein Mensch, der sich selbst, seinem Koch und seinem Tischgenossen mißtraut. Doch nach einigen Minuten fing Gorenflot an zu schlingen, während Chicot beobachtete.
Man begann mit dem Rheinwein, dann ging man zu dem Burgunder von 1550 über, man machte einen Ausflug zu einem Eremitage, dessen Alter man nicht kannte, man nippte am Saint-Peray; endlich kam man zum sizilianischen Wein der Dame, eines Beichtkindes.
»Was sagt Ihr dazu?« fragte Gorenflot, nachdem er dreimal gekostet hatte, ohne daß er sich auszusprechen wagte.
»Mild, aber leicht,« erwiderte Chicot; »und wie heißt die Bußfertige?« – »Ich kenne sie nicht.«
»Alle Wetter, Ihr wißt ihren Namen nicht?« – »Wahrhaftig, nein, wir verhandeln durch Botschafter.«
Chicot machte eine Pause, während deren er sanft die Augen schloß, als wollte er den Geschmack eines Schlucks Wein untersuchen, den er im Mund hielt, ehe er ihn durch die Gurgel laufen ließ, in der Wirklichkeit aber, um nachzudenken.
»Ich habe also die Ehre, einem Armee-General gegegenüber zu speisen?« sagte er nach fünf Minuten. – »Oh! mein Gott, ja!«
»Wie, Ihr seufzt, während Ihr dies sagt?« – »Ah! es ist sehr anstrengend.«
»Allerdings; aber es ist ehrenvoll, es ist schön.« – »Herrlich! nur habe ich keine Stille mehr im Haus... und vorgestern bin ich beinahe genötigt gewesen, einen Gang beim Abendessen zu streichen.«
»Einen Gang streichen... und warum?« – »Weil mehrere von meinen besten Soldaten, ich muß es gestehen, die Vermessenheit hatten, das Weinbeermus von Burgund, das man am Freitag als drittes Gericht gab, ungenügend zu finden.«
»Ah! ungenügend...
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