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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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an. Dieser Blick machte, daß Sainte-Maline in sich ging und sein Pferd wieder in Schritt setzte.

Sainte-Maline.
    Ernauton hatte sich nicht getäuscht, der bezeichnete Mann war wirklich Chicot. Chicot besaß seinerseits ein gutes Gesicht und ein gutes Gehör; er hatte die Reiter von fern gesehen und gehört. Er vermutete, sie wollten etwas von ihm, und erwartete sie deshalb.
    Als ihm in dieser Hinsicht kein Zweifel mehr blieb und er gesehen hatte, daß die Reiter ihre Richtung gegenihn nahmen, legte er seine Hand an den Griff seines Degens, um eine edle Haltung anzunehmen. Ernauton und Sainte-Maline schauten sich eine Minute lang, beide stumm, an.
    »An Euch ist es,« sagte Ernauton, sich vor seinem Gegner verbeugend.
    Sainte-Maline erstickte beinahe; die Überraschung durch diese Höflichkeit schnürte ihm die Gurgel zusammen; er antwortete nur, indem er den Kopf neigte.
    Als Ernauton sah, daß er schwieg, nahm er das Wort und sagte zu Chicot: »Mein Herr, wir, dieser Herr und ich, sind Eure Diener.«
    Chicot verbeugte sich mit seinem anmutigsten Lächeln.
    »Wäre es unbescheiden, Euch um Euren Namen zu fragen?« fuhr der junge Mann fort. – »Ich heiße der Schatten, mein Herr.« »Ihr erwartet etwas?« – »Ja.«
    »Nicht wahr, Ihr werdet so gut sein, uns zu sagen, was Ihr erwartet?« – »Ich erwarte einen Brief.«
    »Ihr begreift unsere Neugierde, mein Herr, sie hat nichts Beleidigendes für Euch.«
    Chicot verbeugte sich beständig und zwar mit einem immer freundlicheren Lächeln.
    »Woher erwartet Ihr diesen Brief?« – »Vom Louvre.«
    »Mit welchem Siegel?« – »Mit dem königlichen Siegel.«
    Ernauton legte die Hand an die Brust und fragte: »Ihr würdet diesen Brief erkennen?« – »Ja, wenn ich ihn sehen würde.«
    Ernauton zog den Brief aus der Brust.
    »Das ist er,« sagte Chicot, »und nicht wahr, Ihr wißt, daß ich Euch etwas dafür geben muß?« – »Einen Empfangschein.«
    »Mein Herr,« sagte Ernauton, »ich war vom König bestellt, Euch diesen Brief zu tragen, doch dieser Herr ist beauftragt, ihn Euch zu übergeben.«Und er reichte den Brief Sainte-Maline, der ihn nahm und Chicot in die Hände legte.
    Um jede Eifersucht zu ersticken, schrieb Chicot auf Ernautons Rat für jeden der beiden Boten folgenden Empfangschein:
    »Aus den Händen des Herrn René von Sainte-Maline den von Herrn Ernauton von Carmainges getragenen Brief empfangen zu haben, bescheinigt
    »Der Schatten.«
    »Gott befohlen, mein Herr,« sagte Sainte-Maline, der sich seines Scheins bemächtigte.
    »Gott befohlen und glückliche Reise,« fügte Ernauton hinzu; »habt Ihr noch etwas anderes im Louvre zu bestellen?« – »Durchaus nichts, meine Herren, großen Dank.«
    Ernauton und Sainte-Maline wandten ihre Pferde Paris zu, und Chicot entfernte sich mit einem Schritt, um den ihn das beste Maultier beneidet hätte.
    Als Chicot verschwunden war, hielt Ernauton, der kaum hundert Schritte zurückgelegt hatte, sein Pferd kurz an und sagte zu Sainte-Maline: »Nun, mein Herr, steigt ab, wenn Ihr wollt!«
    »Und warum?« fragte Sainte-Maline erstaunt.
    »Unsere Aufgabe ist vollbracht, und wir können nun ein Wort miteinander reden. Der Ort scheint mir vortrefflich dafür geeignet.«
    »Nach Eurem Belieben,« erwiderte Sainte-Maline, indem er vom Pferde stieg, wie es sein Gefährte schon getan hatte.
    Als er auf der Erde war, näherte sich ihm Ernauton und sagte: »Ihr wißt, mein Herr, daß Ihr mich ohne Veranlassung und ohne allen Grund auf dem ganzen Wege schwer beleidigt habt. Mehr noch: Ihr wolltet mich bewegen, in einem ungeeigneten Augenblick den Degen in die Hand zu nehmen, und ich weigerte mich. Doch jetzt ist der Augenblick da, und ich bin Euer Mann.«
    Sainte-Maline hörte diese Worte mit düsterer Mieneund gefalteter Stirn; aber da er nicht mehr in dem Strome des Zornes war, der ihn über alle Grenzen fortgerissen hatte, wollte er sich seltsamerweise nicht mehr schlagen. Die Überlegung hatte ihm seinen gesunden Verstand wiedergegeben.
    »Mein Herr,« antwortete er, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte, »Ihr habt mir meine Beleidigungen durch Dienste erwidert; ich vermöchte daher nicht mehr die Sprache gegen Euch zu führen, die ich vorhin führte.«
    Ernauton faltete die Stirn und entgegnete: »Nein, doch Ihr denkt noch, was Ihr vorhin ausspracht.«
    »Wer sagt Euch das? Warum?«
    »Weil alle Eure Worte vom Haß und Neid diktiert waren, und weil dieser Haß und dieser Neid in den zwei Stunden nicht in

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