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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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sie aushält, wird man darüber um zehn Jahre älter.
    Während Sainte-Maline, die Böschung hinaufsteigend, in seinem trostlosen Geiste tausend finstere Gedanken gegen die anderen und gegen sich selbst hin und her wälzte, erscholl der Galopp eines Pferdes an sein Ohr, und er sah auf der Straße rechts ein Pferd und einen Reiter herbeikommen. Es war von Carmainges mit dem entlaufenen Renner.
    Bei diesem Anblick strömte das Herz Sainte-Malines vor Freude über; er fühlte eine Bewegung der Dankbarkeit, die seinem Blick einen milden Ausdruck verlieh. Doch plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht; er begriff, in welchem Grade Ernauton über ihm erhaben war, denn er gestand sich, daß er an der Stelle seines Gefährten nicht einmal den Gedanken gehabt hätte, so zu handeln.
    Er stammelte einen Dank, ohne daß Ernauton darauf achtete, ergriff wütend den Zaum seines Pferdes und schwang sich, trotz des Schmerzes, in den Sattel.
    »Ich danke,« sagte Sainte-Maline zum zweiten Male zu Ernauton, nachdem er sich hundertmal mit seinem Stolz und dem Wohlanstand beraten hatte. Ernauton verbeugte sich nur und berührte seinen Hut mit der Hand. Der Weg kam Sainte-Maline jetzt sehr lang vor.
    Ungefähr gegen halb drei Uhr erblickten sie einen Mann, der mit einem Hunde dahinging; er war groß und hatte einen Degen an seiner Seite, doch war es nicht Chicot, obgleich er dieselben würdigen Arme und Beine hatte.
    Noch ganz kotig, konnte Sainte-Maline nicht an sich halten; er sah, daß Ernauton weiter ritt und gar nicht auf diesen Mann achtgab. Der Gedanke, seinen Gefährtenauf einem Fehler zu ertappen, durchzuckte wie ein boshafter Blitz den Geist des Gaskogners; er ritt auf den Unbekannten zu und redete ihn an.
    »Reisender,« fragte er, »erwartet Ihr etwas?« –
    Der Reisende schaute Sainte-Maline an, dessen Aussehen, es ist nicht zu leugnen, in diesem Augenblick nicht sehr lieblich war. Das zornverstörte Gesicht, die kotbedeckten Kleider, die blutigen Wangen, seine dicken zusammengezogenen Augenbrauen, eine fieberhafte, mehr drohend als fragend gegen ihn ausgestreckte Hand, dies alles kam dem Fußgänger Unheil weissagend vor.
    »Erwarte ich etwas, so erwarte ich keinen Menschen,« antwortete er, »und erwarte ich einen Menschen, so seid Ihr dieser Mensch sicher nicht.«
    »Ihr seid sehr unhöflich,« sagte Sainte-Maline, entzückt, endlich eine Gelegenheit zu finden, seinem Zorn die Zügel schießen lassen zu können, und zugleich wütend, daß er durch seinen Irrtum seinem Gegner einen neuen Triumph verschaffte. Und während er sprach, hob er seine mit einer Gerte bewaffnete Hand auf, um den Reisenden zu schlagen; dieser aber schwang seinen Stock, versetzte Sainte-Maline einen Schlag auf die Schulter und pfiff sodann seinem Hund, der dem Pferde an die Beine und dem Reiter an den Schenkel sprang und hier einen Fetzen Fleisch und da ein Stück Stoff abriß.
    Durch den Schmerz gestachelt, lief das Pferd abermals davon, ohne daß es Sainte-Maline, der im Sattel blieb, anhalten konnte. So schoß er an Ernauton vorüber, der ihn vorbeireiten sah, ohne nur über sein Mißgeschick zu lächeln.
    Als es ihm gelungen war, sein Pferd wieder zu beruhigen, und als ihn Ernauton wieder eingeholt hatte, fing sein Stolz an, nicht abzunehmen, sondern ganz zu schwinden.
    »Nun, nun!« sagte er, indem er zu lächeln suchte, »ich habe heute meinen unglücklichen Tag, wie es scheint.Dieser Mensch glich doch sehr dem Porträt, das uns Seine Majestät von dem entworfen hat, den wir aufsuchen sollen.«
    »Der, den uns Seine Majestät bezeichnete, hatte keinen Stock und keinen Hund.«
    »Es ist wahr, wenn ich es überlegt hätte, so hätte ich eine Quetschung weniger an den Schultern und einen Biß weniger am Schenkel. Wie ich sehe, ist es besser, weise und ruhig zu sein.«
    Ernauton antwortete nicht; doch er erhob sich auf den Steigbügeln, hielt die Hand über die Augen und rief: »Dort ist der, den wir suchen; er wartet auf uns.«
    »Pest! mein Herr, Ihr habt ein gutes Gesicht,« sagte mit dumpfem Tone Sainte-Maline, eifersüchtig auf diesen neuen Vorzug seines Gefährten. »Ich unterscheide nur einen Punkt und dies mit Mühe.«
    Ernauton ritt, ohne etwas zu erwidern, weiter; bald konnte Sainte-Maline ebenfalls den vom König bezeichneten Mann sehen und erkennen. Es ergriff ihn eine schlimme Bewegung. Er trieb sein Pferd vorwärts, um zuerst anzukommen.
    Ernauton war darauf gefaßt; er schaute ihn ohne eine Drohung und ohne eine scheinbare Absicht

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