Die Fünfundvierzig
tüchtig, und jeder ging in sein Zimmer.
Chicot hatte während des Mahles weder seine spöttische Redseligkeit, die seine Gefährten ergötzte, noch den Muskat und den Burgunder geschont, die ihn in der Begeisterung erhielten. Man hatte unter Handelsleuten, das heißt unter freien Männern, wenig Umstände mit Seiner Majestät dem König von Frankreich und allen übrigen Majestäten gemacht, mochten sie nun von Lothringen, von Navarra, von Flandern oder von anderen Ländern sein.
Chicot legte sich nieder, nachdem er sich mit seinen vier Händlern, die ihn gleichsam im Triumph in sein Zimmer geleiteten, für den anderen Morgen verabredet hatte. Er sah sich wie ein Fürst von den vier Reisenden bewacht, deren vier Zimmer vor dem seinigen kamen, das am Ende des Ganges lag und folglich durch die dazwischenliegenden Außenforts uneinnehmbar war.
Chicot konnte also, ohne sich gegen seine gewöhnliche Klugheit zu verfehlen, zu Bette gehen und einschlafen. Er konnte dies um so eher tun, als er zur Verstärkung der Vorsicht ängstlich das Zimmer untersucht, die Riegel seiner Tür vorgeschoben, und die Laden seines Fensters, des einzigen in seiner Stube, geschlossen hatte.
Aber es trat während seines ersten Schlafes ein Ereignis ein, das auch der Weiseste nicht hätte voraussehen können. Um halb zehn Uhr wurde schüchtern an die Tür der vier Kommis geklopft, die alle vier beisammen in einer Dachstube über ihren Herren wohnten. Der eine öffnete in ziemlich übler Laune und stand dem Wirt gegenüber.
»Meine Herren,« sagte dieser, »ich sehe mit Vergnügen, daß ihr euch ganz angekleidet niedergelegt habt; ich will euch einen großen Dienst erweisen. Eure Patrone haben sich bei Tische an politischen Gesprächen sehr erhitzt. Es scheint, ein Beamter hat sie gehört und ihre Reden dem Maire hinterbracht. Unsere Stadt tut sich etwas darauf zu gut, treu zu sein, der Maire schickte die Wache, die eure Herren festgenommen und nach dem Rathause gebracht hat, wo sie sich erklären müssen. Das Gefängnis ist ganz nahe beim Rathaus; macht euch daher auf die Beine, eure Maultiere erwarten euch, eure Patrone werden euch wohl einholen.«
Die vier Kommis sprangen wie junge Ziegen, stürzten nach der Treppe, bestiegen zitternd ihre Maultiere und schlugen wieder den Weg nach Paris ein, nachdem sie den Wirt beauftragt hatten, die Herren von ihrer Abreise und von der Richtung, die sie genommen, in Kenntnis zu setzen, wenn sie etwa in den Gasthof zurückkämen.
Sobald der Wirt die vier Kommis an der Straßenecke verschwinden sah, klopfte er mit derselben Vorsicht an die erste Tür des Korridors, wo der erste Kaufmann schlief, und sagte ihm leise: »Man hat Euch bei Tisch den König schmähen hören, und der Maire ist davon durch einen Spion unterrichtet worden, worauf er sich hierher begeben. Zum Glück hatte ich den Gedanken, ihm das Zimmer Eurer Kommis zu bezeichnen, so daß er eben beschäftigt ist, diese oben zu verhaften, statt Euch hier festzunehmen.«
»Oh! oh! Was sagt Ihr mir da,« versetzte der Kaufmann.
»Die reine Wahrheit. Flüchtet eiligst, solange die Treppe noch frei ist...«
»Aber meine Gefährten?« – »Ihr werdet keine Zeit haben, sie zu benachrichtigen.«
»Arme Leute!« sagte der Kaufmann und kleidete sich in aller Hast an.
Währenddessen klopfte der Wirt, wie von einer plötzlichen Eingebung berührt, mit dem Finger an den Verschlag, der den ersten Kaufmann vom zweiten schied. Auf dieselben Worte und dieselbe Fabel öffnete der zweite sacht die Tür; erweckt wie der zweite, rief der dritte dem vierten, und leicht, wie ein Flug Schwalben, verschwanden alle vier, die Arme zum Himmel erhebend und auf den Fußspitzen marschierend.
»Der arme Strumpfwirker,« sagten sie, »auf ihn wird alles fallen; es ist nicht zu leugnen, er hat am meisten gesprochen. Meiner Treu! er mag sich Hüten, denn der Wirt hat nicht mehr Zeit gehabt, ihn zu warnen wie uns.«
Meister Chicot war in der Tat, wie man begreift, nicht benachrichtigt worden. In dem Augenblick, als die Kaufleute, ihn Gott empfehlend, entflohen, lag er im tiefsten Schlafe.
Der Wirt versicherte sich dessen, indem er an der Tür horchte; dann ging er in die untere Stube, deren sorgfältig verschlossene Tür sich auf ein Zeichen von ihm öffnete. Er nahm seine Mütze ab und trat ein.
Die Stube war von sechs bewaffneten Männern besetzt, von denen einer der Befehlshaber zu sein schien.
»Nun!« sagte der letztere. – »Herr Offizier, ich habe in allen
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