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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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als Kieselsteine.
    Ich bemerkte, dass ich den Atem angehalten hatte, und atmete vorsichtig weiter, um ihn nicht in seiner Konzentration zu stören. »Wie geht das?«
    »Namen«, sagte Dal und zog die Hand aus der Glut. Sie war mit weißer Asche überzogen, aber unversehrt. »Ein Name spiegelt das vollkommene Verständnis eines bestimmten Dings wider, und wenn man etwas vollkommen versteht, hat man Macht darüber.«
    »Aber Feuer ist doch kein Ding«, protestierte ich. »Es ist doch bloß eine exotherme chemische Reaktion. Es …«, kam ich stotternd zum Stehen.
    |262| Dal holte Luft, und einen Moment lang sah es so aus, als würde er es mir gleich erläutern. Dann aber lachte er nur und zuckte die Achseln. »Ich bin nicht klug genug, um dir das zu erklären. Frag Elodin. Er ist derjenige, der behauptet, all diese Dinge zu verstehen. Ich arbeite hier nur.«

    Nach Dals Seminar ging ich auf die andere Seite des Flusses, nach Imre. Ich traf Denna in dem Wirtshaus, in dem sie wohnte, nicht an, und ging von dort ins EOLIAN, obwohl ich wusste, dass es noch zu früh war, um sie dort zu treffen.
    Im Saal waren gerade mal ein Dutzend Leute, aber am hinteren Ende des Tresens erblickte ich ein bekanntes Gesicht. Es war Graf Threpe, der sich mit Stanchion unterhielt. Threpe winkte mir zu, und ich ging hinüber.
    »Kvothe, mein Junge!«, sagte er begeistert. »Dich hab ich ja ewig nicht mehr gesehen.«
    »Ich hatte in letzter Zeit an der Universität viel um die Ohren«, sagte ich und stellte meinen Lautenkasten ab.
    Stanchion musterte mich. »Das sieht man«, sagte er. »Du bist blass. Du solltest mehr rotes Fleisch essen. Und mehr schlafen.« Er wies mit einladender Geste auf einen Hocker. »Aber erst mal spendiere ich dir einen Krug Metheglin.«
    »Vielen Dank«, sagte ich und nahm Platz. Es war ein wunderbares Gefühl, meine schmerzenden Beinen zu entlasten.
    »Wenn es Fleisch und Schlaf ist, was du brauchst«, sagte Threpe, »lade ich dich zu einem Abendessen auf meinem Landsitz ein. Ich verspreche dir: Das Essen wird köstlich sein und die Tischgespräche so öde, dass du die ganze Zeit vor dich hin dösen kannst, ohne irgendetwas zu verpassen.« Er sah mich geradezu flehend an. »Bitte. Ich bitte dich auf den Knien, wenn’s sein muss. Es kommen höchstens zehn Personen. Ich will dich doch schon seit Monaten unbedingt mal meinen Gästen präsentieren.«
    Ich nahm den Krug Metheglin und sah Threpe an. Er trug eine königsblaue Samtjacke, und seine Wildlederstiefel waren in genau dem |263| gleichen Blauton gefärbt. Bei einem Essen in seinem Haus hätte ich nicht in Straßenklamotten aus zweiter Hand auftauchen können, aber das waren die einzigen Kleider, die ich besaß.
    Threpe hatte ganz und gar nichts Protziges an sich, aber er war nun mal der Spross eines Adelsgeschlechts. Ihm wäre wahrscheinlich gar nicht in den Sinn gekommen, dass ich womöglich keine passende Kleidung besaß. Und ich konnte ihm das nicht verübeln. Die große Mehrzahl meiner Kommilitonen war zumindest einigermaßen wohlhabend. Wie hätten sie sich sonst die Studiengebühren leisten können?
    In Wahrheit wäre mir kaum etwas lieber gewesen als ein schönes Abendessen und die Gelegenheit, mit einigen örtlichen Adligen ins Gespräch zu kommen. Liebend gern hätte ich beim Wein mit ihnen geplaudert und einiges von dem Schaden, den Ambrose meinem Ruf zugefügt hatte, wieder wettgemacht. Und vielleicht wäre ich dabei ja sogar einem potenziellen Schirmherrn aufgefallen.
    Aber ich konnte mir schlicht und einfach den Eintritt nicht leisten. Eine passable Kleidergarnitur hätte mich mindestens anderthalb Talente gekostet, selbst wenn ich sie aus zweiter Hand gekauft hätte. Kleider machen Leute. Aber solche Kleider sind eben auch kostspielig.
    Stanchion, der hinter Threpe saß, nickte mir übertrieben zu.
    »Herzlich gern«, sagte ich zu Threpe. »Und es ist hiermit versprochen. Sobald es drüben an der Universität wieder ein bisschen ruhiger zugeht.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Threpe begeistert. »Ich nehme dich beim Wort. Jetzt gibt es keinen Rückzieher mehr. Und ich werde dir einen Schirmherrn beschaffen, mein Junge. Und zwar einen richtigen. Das schwöre ich dir.«
    Hinter ihm nickte Stanchion anerkennend.
    Ich lächelte den beiden zu und trank noch einen Schluck Metheglin. Dann sah ich kurz zur Treppe zum Obergeschoss hinüber.
    Stanchion bemerkte meinen Blick. »Sie ist nicht da«, sagte er. »Und ich habe sie auch seit ein paar Tagen nicht mehr

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