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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Und das ist noch schlimmer.«

    Ich befand mich auf halbem Weg zurück zur Universität, und die große Steinbrücke tauchte gerade in der Ferne vor mir auf, als ich eine unangenehme, prickelnde Wärme zu spüren begann, die mir den Arm hinaufströmte. Erst dachte ich, es käme von der gleich zweimal genähten Ellenbogenverletzung, denn die hatte schon den ganzen Tag gejuckt und gebrannt.
    Doch statt wieder zu verschwinden, breitete sich dieses Wärmegefühl von meinem Arm auch auf meine linke Brust aus. Ich begann zu schwitzen, wie in einem plötzlichen Fieberanfall.
    Ich nahm meinen Umhang ab, ließ mich von der Herbstluft kühlen und knöpfte mir auch das Hemd auf. Der Herbstwind half, und ich fächelte mir mit dem Umhang zusätzlich frische Luft zu. Aber die Wärme wurde immer schlimmer, tat nun geradezu weh, als hätte ich mir heißes Wasser über den Oberkörper gekippt.
    Zum Glück verlief dieser Abschnitt der Straße an einem Bach entlang, der bald darauf in den Omethi mündete. Da mir nichts Besseres einfiel, zog ich mir schnell die Stiefel aus, legte meinen Lautenkasten ab und sprang ins Wasser.
    Das Wasser war so kalt, dass mir der Atem stockte, aber es kühlte meine brennende Haut. Ich blieb im Bach und versuchte nach Kräften, mir nicht wie ein Vollidiot vorzukommen, während ein junges Pärchen vorüberging, das Händchen hielt und mich geflissentlich ignorierte.
    Die seltsame Hitze fuhr mir durch den ganzen Leib, als wäre es ein Feuer in meinem Innern, das einen Ausweg suchte. Es begann auf meiner linken Seite, lief mir dann die Beine hinab und wieder zum linken Arm hinauf. Als sich die Hitze auf meinen Kopf zubewegte, tauchte ich unter.
    Ein paar Minuten später hörte es wieder auf, und ich stieg aus dem Bach. Schlotternd wickelte ich mich in meinen Umhang, froh, |267| dass gerade niemand auf der Straße unterwegs war. Da mir nichts anderes übrig blieb, schulterte ich meinen Lautenkasten und ging weiter in Richtung Universität, tropfnass und von einer schrecklichen Angst erfasst.

|268| Kapitel 23
Prinzipien
    I ch hab Mola davon erzählt«, sagte ich und mischte die Karten. »Sie hat gesagt, ich hätte mir das nur eingebildet, und hat mich gleich wieder vor die Tür gesetzt.«
    »Willkommen im Klub«, sagte Sim bitter.
    Ich sah ihn erstaunt an, doch ehe ich fragen konnte, was denn los sei, hielt Wilem mich mit einem Kopfschütteln davon ab. Da ich Sims Vorgeschichte kannte, nahm ich an, dass da wieder mal eine von Anfang an verkorkste Kurzbeziehung schmerzhaft in die Brüche gegangen war.
    Also hielt ich den Mund und teilte die Karten aus. Wir drei vertrieben uns die Zeit, bis sich der Schankraum des ANKER’S an diesem Fellingabend so weit gefüllt haben würde, dass ich mit meinem Auftritt beginnen konnte.
    »Was glaubst du denn, was dahinter steckt?«, fragte Wilem.
    Ich zögerte, da ich Angst hatte, dass sich meine Befürchtungen, sobald ich sie aussprach, auf irgendeine Weise bewahrheiten würden. »Ich habe mich im Handwerkszentrum möglicherweise einer gefährlichen Substanz ausgesetzt.«
    Wil sah mich an. »Und was für einer?«
    »Eine der Verbindungen, die wir da verwenden. Die dringen direkt durch die Haut und töten dich ganz heimlich, still und leise«, sagte ich und dachte an den Tag zurück, an dem mein Tenten-Glas zerbrochen war. Ich dachte an den Tropfen Leitmittel, der auf meinem Hemd gelandet war. Es war nur ein winziges Tröpfchen gewesen, kaum größer als der Kopf eines kleinen Nagels. Und ich war mir ganz sicher, dass es meine Haut nicht berührt hatte. »Ich hoffe, |269| dass ich mich da irre. Aber ich weiß nicht, was es sonst sein könnte.«
    »Es könnte auch eine Nachwirkung dieser Pflaumendroge sein«, sagte Sim mit ernster Miene. »Ambrose ist ja kein großer Alchemist. Und so weit ich weiß, ist ein Hauptbestandteil Blei. Wenn er das Zeug selbst fabriziert hat, könnten sich irgendwelche latenten Prinzipien immer noch auf deinen Stoffwechsel auswirken. Hast du heute irgendwas Ungewöhnliches gegessen oder getrunken?«
    Ich überlegte. »Ich hab im EOLIAN ziemlich viel Metheglin getrunken«, gestand ich.
    »Das Gesöff? Da ist es ja kein Wunder, dass du dich krank fühlst«, meinte Wil.
    »Also ich trink das gern«, erwiderte Sim. »Aber es ist ja praktisch selber ein Geheimmittel. Es enthält allerhand Tinkturen. Zwar nichts Alchemisches, aber Muskat, Thymian, Nelken und alle möglichen anderen Gewürze. Es könnte sein, dass eins davon als Auslöser für

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