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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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irgendwelche freien Prinzipien fungiert hat, die in deinem Stoffwechsel noch verblieben sind.«
    »Na toll«, grummelte ich. »Und wie kriege ich das wieder weg?«
    Sim breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände.
    »Dachte ich’s mir doch«, sagte ich. »Aber es klingt immerhin besser als eine Metallvergiftung.«
    Dann gewann Simmon vier Stiche in Folge, und als die Partie vorüber war, lächelte er schon wieder. Sich längere Zeit einem Liebeskummer hinzugeben, war einfach nicht seine Art.
    Wil sammelte sein Kartenspiel zusammen und steckte es ein, und ich schob meinen Stuhl vom Tisch zurück.
    »Spiel das Lied mit der betrunkenen Kuh und dem Butterfass«, sagte Sim.
    Da konnte auch ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Vielleicht später«, sagte ich, nahm meinen Lautenkasten und ging damit unter freundlichem Applaus zur Kaminsohle. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich den Kasten aufbekam, denn ich musste erst den Kupferdraht aufzwirbeln, mit dem ich den verlorenen Verschluss ersetzt hatte.
    Dann machte ich zwei Stunden lang Musik. Ich sang
Der Kupferkessel
,
Fliederzweig
und
Tante Emmes Wanne
. Das Publikum lachte und |270| applaudierte. Und während ich diese Lieder spielte, spürte ich meine Sorgen von mir abfallen. Meine Musik war immer noch die beste Arznei gegen trübe Stimmungen. Selbst meine Verletzungen schienen nicht mehr so wehzutun.
    Dann spürte ich plötzlich einen Kälteschauer, als ob ein kräftiger Winterwind durch den Schornstein hinter mir hereinwehte. Ich musste mich sehr beherrschen, nicht zu schlottern, und spielte die letzte Strophe von
Apfelschnaps
zu Ende – ein Lied, das ich endlich angestimmt hatte, um Sim einen Gefallen zu tun. Beim Schlussakkord erscholl Applaus, und dann erfüllte bald wieder Gesprächslärm den Raum.
    Ich sah mich zu dem Kamin um, aber das Feuer brannte ganz friedlich vor sich hin und ließ keinerlei Luftzug erkennen. Ich stieg von der Kaminsohle herab und hoffte, ein bisschen Bewegung würde das Kältegefühl vertreiben. Doch schon nach wenigen Schritten wurde mir klar, dass dem nicht so war. Vielmehr kroch mir die Kälte nun bis in die Knochen. Ich ging schnell zum Kamin zurück und wärmte mir die Hände.
    Wil und Sim gesellten sich zu mir. »Was ist denn mit dir?«, fragte Sim. »Wirst du krank?«
    »So was Ähnliches«, erwiderte ich und biss die Zähne zusammen, damit sie nicht anfingen zu klappern. »Geh bitte zu Anker und sag ihm, ich fühl mich nicht gut und muss für heute Abend leider schon Schluss machen. Und dann entzünde bitte an diesem Kaminfeuer eine Kerze und bring sie rauf auf mein Zimmer.« Ich sah die beiden an. »Wil, kannst du mir bitte helfen, hier rauszukommen? Ich will kein Aufsehen erregen.«
    Er nickte und bot mir seinen Arm an. Ich stützte mich auf ihn, und so gingen wir zur Treppe, wobei ich mich darauf konzentrierte, meinen Körper am Schlottern zu hindern. Niemand achtete groß auf uns, und ich wirkte wahrscheinlich eher betrunken. Doch mittlerweile waren meine Hände fühllos und schwer, und meine Lippen fühlten sich eiskalt an.
    Nach dem ersten Treppenabsatz konnte ich das Schlottern nicht mehr unterdrücken. Ich konnte zwar noch gehen, aber meine Beinmuskulatur zuckte bei jedem Schritt.
    |271| Wil blieb stehen. »Wir sollten Mediho gehen.« Sein kealdischer Akzent trat nun stärker zutage, und dass er anfing, einzelne Wörter auszulassen, deutete darauf hin, dass er sich große Sorgen machte.
    Ich schüttelte den Kopf und beugte mich vor, damit er mir entweder die Treppe hochhalf oder mich fallen lassen musste. Er legte einen Arm um mich, und den Rest des Wegs trug er mich mehr als dass er mich stützte.
    In meiner Kammer angelangt, ließ ich mich auf dem Bett nieder, und Wil legte mir eine Decke um die Schultern.
    Dann hörte man Schritte auf dem Flur, und Sim spähte zur Tür herein. Er hielt einen Kerzenstummel und schirmte die Flamme beim Gehen mit der freien Hand ab. »Ich hab sie. Und was willst du jetzt damit?«
    »Stell sie da hin«, sagte ich und zeigte auf den Tisch neben dem Bett. »Du hast sie am Kaminfeuer angezündet, ja?«
    Sim guckte ängstlich. »Deine Lippen«, sagte er. »Die Farbe sieht aber gar nicht gut aus.«
    Ich zog einen Splitter aus dem groben Holz meines Nachttischs und stach mir damit in den Handrücken. Blut quoll hervor, und ich drehte den Splitter darin umher und benetzte ihn mit dem Blut. »Mach die Tür zu«, sagte ich.
    »Du machst jetzt aber bitte nicht das, wonach es aussieht«,

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