Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
in der Mitte. »
Ivare enim euge


    Auri führte mich durch das Tunnel-Labyrinth, aus dem das Unterding bestand. Wir gingen tief hinein, durch Hopse hindurch und an Grillistan vorbei. Dann folgten etliche sich windende Korridore, und schließlich stiegen wir eine steinerne Wendeltreppe hinab, die ich nie zuvor gesehen hatte.
    Als wir den Abstieg begannen, roch es dort nach feuchtem Gemäuer, und leise hörte ich Wasser plätschern. Hin und wieder klang es, als würde etwas Gläsernes an einen Stein stoßen, und dann klimperten gläserne Gegenstände aneinander.
    Nach etwa fünfzig Stufen versank die breite Wendeltreppe in einem großen Becken voll schwarzem Wasser. Ich fragte mich, wie weit sie wohl unterhalb der Wasseroberfläche noch ging.
    Es roch allerdings überhaupt nicht nach Fäulnis. Vielmehr schien es sich um frisches Wasser zu handeln, und ich sah, wie es sich bewegte und kräuselte – innerhalb des Treppenhauses und bis an den Rand unseres Lichtscheins, hinter dem es sich in der Finsternis verlor. Dann hörte ich wieder Glas klimpern und sah zwei Flaschen auf der Wasseroberfläche treiben. Sie drehten sich langsam und bewegten sich erst in die eine, dann in die andere Richtung. Schließlich tauchte eine unter und kam nicht wieder zum Vorschein.
    An einer Fackelhalterung an der Wand hing ein Leinensack. Auri griff hinein und zog eine schwere, verkorkte Flasche daraus hervor, die aussah, als hätte sie einmal Bredon-Bier enthalten.
    Sie gab mir die Flasche. »Die verschwinden – manchmal für eine |286| Stunde, manchmal nur für eine Minute. Manchmal auch tagelang. Es kann auch passieren, dass sie gar nicht mehr auftauchen.« Sie zog noch eine Flasche aus dem Sack. »Am besten nimmt man mindestens vier gleichzeitig. Dann hat man, statistisch gesehen, immer mindestens zwei, die sich hin und her bewegen.«
    Ich nickte, riss einen kleinen Leinenfetzen von dem zerlumpten Sack ab und benetzte ihn mit dem Blut von meinem Handrücken. Dann zog ich den Korken aus der Flasche und steckte den Fetzen hinein.
    »Tu noch Haare dazu«, sagte Auri.
    Ich riss mir ein paar Kopfhaare aus und steckte sie ebenfalls in den Flaschenhals. Dann drückte ich den Korken wieder fest hinein und ließ die Flasche zu Wasser. Sie trieb mit viel Tiefgang dahin und drehte sich auf auf eine zufällig und launenhaft scheinende Weise.
    Auri gab mir noch eine Flasche, und wir wiederholten das Prozedere. Nachdem ich die vierte Flasche zu Wasser gelassen hatte, nickte Auri zufrieden und klopfte sich die Hände ab.
    »So«, sagte sie, und es klang äußerst zufrieden. »Das war gut. Jetzt sind wir in Sicherheit.«

    Stunden später, gewaschen, verbunden und längst nicht mehr so nackt, begab ich mich auf Wilems Zimmer im Mews. In dieser Nacht und in vielen, die noch folgten, wachten Wil und Sim abwechselnd über mich, während ich schlief, und schützten mich mit ihrem Alar. Sie waren die besten Freunde, die man nur haben konnte, Freunde, wie jeder sie sich wünscht und keiner sie verdient, am allerwenigsten ich.

|287| Kapitel 25
Unrechtmäßige Erfassung
    T rotz allem, was Wil und Sim darüber dachten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass Devi hinter diesem Angriff steckte. Es war mir zwar schmerzlich bewusst, dass ich so gut wie nichts von Frauen verstand, aber andererseits war sie ja immer freundlich zu mir gewesen. Manchmal sogar liebenswürdig.
    Ja, sie hatte einen schlimmen Ruf. Aber andererseits wusste ich ja selbst am besten, wie schnell aus bloßen Gerüchten ganze Legenden entstehen.
    Ich hielt es für viel wahrscheinlicher, dass es sich bei dem unbekannten Angreifer schlicht und einfach um einen verbitterten Kommilitonen handelte, der mir mein schnelles Fortkommen im Arkanum übel nahm. Die meisten Studenten brauchten vier Jahre, bis sie zum Re’lar ernannt wurden, ich aber hatte das in nicht mal drei Trimestern geschafft. Es hätte sogar auch jemand sein können, der einfach nur die Edema Ruh hasste. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass mir meine Herkunft Prügel eintrug.
    In mancher Hinsicht spielte es auch gar keine Rolle, wer hinter diesen Attacken steckte. Was ich brauchte, war eine Möglichkeit, sie zu beenden. Ich konnte von Wil und Sim schließlich nicht erwarten, dass sie mein ganzes weiteres Leben lang über mich wachten.
    Ich brauchte eine dauerhaftere Lösung. Ich brauchte ein Gram.
    Ein Gram ist ein geschickt konstruiertes magisches Objekt, das für genau solche Fälle konzipiert ist. Es stellt gewissermaßen

Weitere Kostenlose Bücher