Die Furcht des Weisen / Band 1
scheinst ja gut über mich Bescheid zu wissen«, sagte ich.
Sein Achselzucken wirkte so beiläufig, dass ich es für einstudiert hielt. »Ich weiß über alle möglichen Leute gut Bescheid«, sagte er. »Über dich aber ganz besonders gut.«
»Und wieso das?«
Sleat beugte sich vor und sagte in vertraulichem Ton: »Hast du eine Vorstellung davon, wie langweilig der durchschnittliche Student ist? Die Hälfte sind reiche Touristen, die sich einen Dreck für ihre Seminare interessieren.« Er verdrehte die Augen und machte eine Geste, als würde er etwas über die Schulter hinter sich werfen. »Und die andere Hälfte sind Bücherwürmer, die so lange von diesem Ort geträumt haben, dass ihnen fast die Luft wegbleibt, wenn sie dann endlich mal hier angelangt sind. Die gehen wie auf Eiern und sind lammfromm. Die scheißen sich ein vor Angst, wenn der Meister auch nur mal böse guckt.«
Er blickte verächtlich und lehnte sich auf seinem Sitz zurück. »Dagegen bist du doch geradezu eine frische Brise. Alle sagen …« Er hielt inne und gab wieder sein einstudiertes Achselzucken zum Besten. »Na ja, du weißt schon.«
»Nein, weiß ich nicht«, gestand ich. »Was sagen die Leute denn so?«
|293| Sleat zeigte mir sein schönstes Lächeln. »Ah, so ist das, nicht wahr? Jeder kennt den Ruf eines Mannes – außer dieser Mann selbst. Die meisten Männer muss das nicht kümmern. Manchen aber macht ihr Ruf zu schaffen. Meinen Ruf habe ich mir Stück um Stück aufgebaut. Er ist ziemlich hilfreich.« Er sah mich mit verschmitztem Blick an. »Ich nehme an, du verstehst, was ich meine.«
Ich gestattete mir ebenfalls ein Lächeln. »Mag sein.«
»Was sagt man denn so über mich? Erzähl es mir, dann revanchiere ich mich.«
»Nun«, sagte ich. »Du wärst gut darin, Dinge zu finden. Du wärst diskret, aber auch teuer.«
Er winkte ab. »Du flüchtest dich ins Allgemeine. Es sind die Einzelheiten, die mich interessieren.«
Ich überlegte. »Ich habe gehört, es sei dir gelungen, im vergangenen Trimester etliche Fläschchen
Regim Ignaul Neratum
zu verkaufen. Und zwar
nach
dem Brand in Kilvins Werkstatt, bei dem angeblich die gesamten Bestände vernichtet wurden.«
Sleat nickte, ließ sich aber sonst nichts anmerken.
»Ich habe auch gehört, dass es dir gelungen sei, Veyanes Vater in Emlin eine Nachricht zu übermitteln, obwohl die Stadt währenddessen belagert wurde.« Er nickte erneut. »Du hast angeblich einer jungen Prostituierten Papiere beschafft, die belegten, dass sie eine entfernte Verwandte von Baronet Gamre sei, was ihr mit minimalem Aufwand ermöglichte, einen bestimmen jungen Mann zu heiraten.«
Sleat lächelte. »Darauf bin ich durchaus stolz.«
»Als du noch E’lir warst«, fuhr ich fort, »wurdest du wegen unrechtmäßiger Erfassung für zwei Trimester suspendiert. Zwei Jahre später wurdest du erneut suspendiert, diesmal wegen Missbrauch von Universitätseigentum. Ich habe auch gehört, dass Jamison von deinen Geschäften weiß, dass er aber bezahlt wird, um ein Auge zuzudrücken. Letzteres glaube ich übrigens nicht.«
»Ich auch nicht«, erwiderte er leichthin.
»Trotz deiner vielfältigen Aktivitäten hat man dich bisher nur ein einziges Mal vor das Eiserne Gesetz gebracht«, fuhr ich fort. »Wegen Schmuggelei, nicht wahr?«
Sleat verdrehte die Augen. »Und weißt du, was das Tollste ist? Ausgerechnet |294| in diesem Fall war ich vollkommen unschuldig. Heffrons Jungs hatten einen Wachtmeister bestochen, einige Beweismittel zu fälschen. Die Anklage wurde schon nach zwei Tagen fallengelassen.« Er blickte finster. »Aber das hat die Meister gar nicht interessiert. Deren einzige Sorge war, dass ich angeblich den guten Namen der Universität in den Schmutz gezogen hatte.« Nun klang er bitter. »Meine Studiengebühren haben sich danach verdreifacht.«
Ich beschloss, allmählich zum Punkt zu kommen. »Vor ein paar Monaten hast du eine junge Grafentochter mit Venitasin vergiftet und ihr das Gegengift erst ausgehändigt, als sie das größte der Lehensgüter, die sie erben sollte, einem anderen überschrieben hat. Und dann hast du es so aussehen lassen, als hätte sie das Gut beim Faro verspielt.«
Er hob eine Augenbraue. »Erzählt man sich auch, warum ich das getan habe?«
»Nein«, sagte ich. »Ich nehme an, sie hat sich geweigert, ihre Schulden bei dir zu begleichen.«
»Da ist was dran«, sagte er. »Aber ein bisschen komplizierter war es schon. Und es war auch kein Venitasin. Das wäre zu gemein
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