Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
»Natürlich.«
    Wilem erhob sich und klopfte sich betont ausführlich die Kleider ab. »Also. Wasch dich und triff deine Vorsichtsmaßnahmen.« Er sah mich eindringlich an. »Sollen Simmon und ich Dals führenden Duellanten heute Nacht in meinem Zimmer erwarten?«
    Ich spürte, dass ich vor Verlegenheit errötete. »Ja, da wäre ich euch sehr dankbar.«
    Wil verbeugte sich übertrieben, öffnete die Tür und trat auf den Flur hinaus.
    Sim hatte mittlerweile ein breites Grinsen aufgesetzt. »Dann ist es also abgemacht. Aber zieh dir ein Hemd an, bevor du zu uns kommst. Ich werde heute Nacht über dich wachen, als wärst du ein kolikkrankes Kleinkind, aber wenn du vorhast, nackt zu schlafen, weigere ich mich.«

    Nachdem Wil und Sim gegangen waren, stieg ich aus dem Fenster und auf die Dächer. Ich ließ mein Hemd im Zimmer zurück, denn ich war immer noch mit Blut beschmiert und wollte es nicht ruinieren. Ich baute auf die Dunkelheit und die späte Stunde und hoffte, dass mich niemand sehen würde, wie ich halbnackt und blutbefleckt über die Dächer der Universität lief.
    |281| Wenn man sich damit auskennt, ist es relativ einfach, sich gegen Sympathie zu schützen. Wenn jemand versuchte, mir Verbrennungen oder Stichwunden zuzufügen oder mir bis hin zur Hypothermie die Körperwärme zu entziehen, beruhten all diese Vorgänge auf der schlichten, direkten Anwendung der Macht, und daher konnte man sich dem leicht widersetzen. Nachdem ich nun wusste, was vor sich ging, und entsprechend auf der Hut war, konnte es mir nichts mehr anhaben.
    Meine neue Sorge bestand nun darin, dass sich der Angreifer davon entmutigen lassen und es auf anderem Wege versuchen könnte. Er hätte beispielsweise mithilfe einer Wünschelrute meinen Aufenthaltsort ermitteln und dann auf eine handgreiflichere Angriffsmethode umsatteln können, die sich nicht mit einer schlichten Willensanstrengung abwehren ließ.
    So beängstigend ein Sympathievergehen auch ist: Ein Auftragsmörder mit einem scharfen Messer kann einen zehnmal schneller töten, wenn er einem in einer dunklen Gasse auflauert. Und jemanden zu überrumpeln ist verdammt leicht, wenn man ihn mithilfe seines Bluts auf Schritt und Tritt verfolgen kann.
    Daher stieg ich auf die Dächer. Mein Plan bestand darin, mir eine Handvoll Blätter zu suchen, sie mit meinem Blut zu benetzen und dann durch das Haus des Windes trudeln zu lassen. Das war ein Trick, den ich schon einmal angewandt hatte.
    Doch als ich über eine enge Gasse sprang, sah ich in einer Wolke einen Blitz aufleuchten, und es lag Regen in der Luft. Ein Unwetter war im Anzug. Der Regen würde nicht nur die Blätter am Trudeln hindern und verkleben, sondern auch mein Blut von ihnen herunterspülen.
    Wie ich dort so auf dem Dach stand und mich hundeelend fühlte, kamen ungute Erinnerungen an meine Jahre in Tarbean wieder hoch. Ich sah dem Wetterleuchten einen Moment lang zu und bemühte mich, mich von dieser Stimmung nicht überwältigen zu lassen. Ich zwang mich, daran zu denken, dass ich nicht mehr das hilflose, hungernde Straßenkind von damals war.
    Dann hörte ich einen leisen, trommelartigen Laut, als hinter mir ein Stück Dachblech durchgebogen wurde. Ich spannte mich |282| an und löste mich gleich wieder, als ich Auris Stimme hörte. »Kvothe?«
    Ich blickte nach rechts und sah sie gut vier Meter neben mir stehen. Wolken verbargen den Mond, aber ich konnte ihr Lächeln hören, als sie sagte: »Ich habe dich über die Dächer laufen sehen.«
    Nun wandte ich mich vollends zu ihr um, froh, dass es so dunkel war. Ich wollte gar nicht daran denken, wie Auri reagieren würde, wenn sie mich halbnackt und blutbefleckt sah.
    »Hallo, Auri«, sagte ich. »Da kommt ein Unwetter. Du solltest heute Nacht nicht hier oben sein.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite. »Du bist doch auch hier oben«, sagte sie.
    Ich seufzte. »Ja. Aber nur, um –«
    Eine riesiger Blitz flammte am Himmel auf und tauchte für eine Sekunde alles in grelles Licht. Als es vorüber war, war ich immer noch geblendet.
    »Auri?«, rief ich, da ich fürchtete, mein Anblick könnte sie vertrieben haben.
    Es blitzte erneut, und da sah ich sie näher bei mir stehen. Sie zeigte auf mich und lächelte begeistert. »Du siehst aus wie ein Amyr«, sagte sie. »Kvothe ist einer der Ciridae.«
    Ich sah an mir hinab, und beim nächsten Blitz verstand ich, was sie meinte. Das getrocknete Blut auf meinen Handrücken sah so ähnlich aus wie die Tätowierungen, mit denen die Amyr

Weitere Kostenlose Bücher