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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wiederbrachte, die Dinge zwischen uns in ein gewisses Gleichgewicht bringen konnte.
    Doch wie sich herausstellte, war der KEILER gar kein Gasthaus, sondern lediglich ein Restaurant. Ich erkundigte mich bei dem Wirt, ob jemand eine Nachricht für mich hinterlassen hatte. Dem war nicht so. Ich fragte ihn, ob er sich an eine junge Frau erinnerte, die am Vorabend dort gewesen sei – dunkelhaarig und sehr schön?
    Er nickte. »Sie hat eine ganze Weile gewartet«, sagte er. »Ich weiß noch, dass ich dachte: ›Wer würde so eine Frau denn warten lassen?‹«
    Ihr würdet euch wundern, wie viele Gasthäuser und Pensionen es selbst in einer eher kleinen Stadt wie Imre gibt.

|381| Kapitel 35
Geheimnisse
    Z wei Tage später brach ich zum Handwerkszentrum auf, in der Hoffnung, durch ordentliche Arbeit würde ich einen klaren Kopf bekommen und anschließend Elodins Eseleien besser ertragen können. Ich war drei Schritte aus der Tür, als ich ein Mädchen in einem blauen Umhang sah, das über den Hof auf mich zu eilte. Ihr Gesicht unter der Kapuze wirkte gleichzeitig aufgeregt und besorgt.
    Als unsere Blicke sich trafen, blieb sie stehen. Dann machte sie, während sie mich weiterhin ansah, eine so verstohlene und steife Handbewegung, dass ich sie erst verstand, als sie sie noch einmal wiederholte: Ich sollte ihr folgen.
    Ich nickte verblüfft. Sie wandte sich ab und verließ den Hof und bewegte sich dabei so steifgliedrig wie jemand, der verzweifelt versucht, ganz unbekümmert zu wirken.
    Ich ging ihr nach. Unter anderen Umständen hätte ich sie für einen Lockvogel gehalten, der mich in eine dunkle Gasse führen sollte, wo mir dann irgendwelche Finsterlinge das Gebiss eintreten und den Geldbeutel abnehmen würden. Hier jedoch, in unmittelbarer Nähe der Universität, gab es schlicht keine Gassen, die sich für so etwas geeignet hätten, und außerdem war es helllichter Tag.
    Sie bog schließlich in eine menschenleere Straße hinter einer Glasbläserei und einem Uhrenladen. Sie blickte sich noch einmal ängstlich um, und dann strahlte mir ihr Gesicht unter der Kapuze hervor entgegen. »Endlich habe ich dich gefunden!«, sagte sie atemlos.
    Sie war jünger, als ich gedacht hatte, höchstens vierzehn Jahre alt. Mattbraune Locken umrahmten ihr blasses Gesicht und drängten |382| unter der Kapuze hervor. Aber ich kam immer noch nicht drauf, wer sie war.
    »Es war ganz schön schwierig, dich aufzuspüren«, sagte sie. »Ich hab so viel Zeit damit verbracht, dass meine Mutter schon glaubt, ich hätte einen Liebhaber an der Universität.« Letzteres sagte sie beinahe schüchtern, und die Andeutung eines Lächelns spielte um ihren Mund.
    Ich war drauf und dran, ihr zu gestehen, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wer sie war. Doch noch bevor ich ein Wort herausbekam, fuhr sie fort: »Keine Sorge. Ich hab niemandem erzählt, dass ich nach dir suche.« Ihre leuchtenden Augen verdunkelten sich vor Besorgnis, wie ein Teich, wenn die Sonne hinter einer Wolke verschwindet. »Ich weiß schon, dass es so ungefährlicher ist.«
    Erst als sich ihr Gesicht verdüsterte, erkannte ich sie. Sie war das Mädchen, dem ich in Trebon begegnet war, als ich dort versucht hatte, den Gerüchten über die Chandrian auf den Grund zu gehen.
    »Nina«, sagte ich. »Was machst du denn hier?«
    »Dich suchen.« Sie reckte stolz das Kinn vor. »Mir war klar, dass du von hier sein musst, weil du verstehst ja was von Magie.« Sie sah sich um. »Aber es ist viel größer, als ich gedacht hab. Ich weiß, du hast keinem in Trebon deinen Namen gesagt, weil sie sonst Macht über dich gehabt hätten, aber darum war es auch ganz schön schwer, dich zu finden.«
    Hatte ich tatsächlich niemandem in Trebon meinen Namen genannt? An manches von dieser Reise erinnerte ich mich nur noch schemenhaft, was daran lag, dass ich eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. Es war wahrscheinlich besser, dass ich anonym geblieben war, denn ich war ja schließlich dafür verantwortlich, dass damals ein Gutteil der Stadt niedergebrannt war.
    »Tut mir leid, dass ich dir solche Umstände gemacht habe«, sagte ich, wusste aber immer noch nicht, worum es eigentlich ging.
    Nina kam einen Schritt näher. »Ich hatte Träume, nachdem du weg warst«, sagte sie leise, in vertraulichem Ton. »Böse Träume. Ich dachte,
sie
wären hinter mir her, wegen dem, was ich dir erzählt hab.« Sie bedachte mich mit einem bedeutungsvollen Blick. »Aber dann hab ich abends immer den Talisman mit ins Bett

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