Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
blickte ein bisschen betreten. »Ja, gut. Es gibt Sachen, die man einfach nicht zu einer Dame sagt, nicht mal im Spaß.« Widerstrebend löste er sich von Fela und ließ sich auf den umgestürzten Baumstamm nieder. Sie setzte sich zu ihm.
    Dann beugte sie sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er lachte und schüttelte den Kopf. »Bitte!«, sagte Fela und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Kvothe hat seine Laute nicht dabei. Jemand muss uns doch unterhalten.«
    »Also gut«, sagte Simmon, offensichtlich ein wenig nervös. Er schloss einen Moment lang die Augen und sprach dann mit sonorer Stimme:
    Flink kam unsere Fela,
    Schritt sie entschlossen
    Asche um Ambrose,
    Böse sein Blick,
    Doch furchtlos blieb Fela,
blitzenden Blickes
    die steinige Straße.
    als sie trat durch die Tür,
    das Gesicht entsetzlich.
    nicht bebte ihr Bu-
    Kurz bevor er das Wort »
Bu- «
aussprechen konnte, hielt Simmon unvermittelt inne und lief knallrot an. Devi, die auf der anderen Seite des Feuers saß, ließ ein derbes Lachen hören.
    |376| Stets der gute Freund, sprang Wilem ihm mit einer ablenkenden Frage bei. »Was sind das eigentlich immer für Pausen mitten im Vers?«, fragte er. »Es hört sich an, als müsstest du zwischendurch Luft holen.«
    »Ja, das hab ich ihn auch schon gefragt«, sagte Fela und lächelte.
    »Das ist etwas, das in vielen alt-vintischen Gedichten vorkommt«, erklärte Sim. »Eine sogenannte Zäsur.«
    »Du bist gefährlich gut beschlagen, was Lyrik angeht, Sim«, sagte ich. »Es fehlt nicht mehr viel, und ich verliere den Respekt vor dir.«
    »Sei still«, sagte Fela. »Ich finde es wunderschön. Du bist doch bloß neidisch, dass er aus dem Stegreif dichten kann.«
    »Gedichte sind lediglich Lieder ohne Musik«, sagte ich hochmütig. »Und ein Lied ohne Musik ist wie ein Körper ohne Seele.«
    Noch bevor Simmon etwas darauf erwidern konnte, hob Wilem eine Hand. »Ehe wir uns hier in eine philosophische Debatte verbeißen, muss ich euch etwas gestehen«, sagte er. »Ich hab auf dem Korridor vor Ambroses Gemächern ein Gedicht fallen lassen. Es war ein Akrostichon, das von seiner grenzenlosen Zuneigung zu Meister Hemme handelte.«
    Wir alle lachten, aber Simmon schien das besonders lustig zu finden. Er brauchte eine ganze Weile, bis er wieder bei Atem war. »Es hätte nicht besser laufen können – selbst wenn wir es so geplant hätten«, sagte er. »Ich hab ein bisschen Frauenunterwäsche gekauft und unter den Trümmern auf der Straße verteilt. Roter Satin, Spitzenhöschen und ein Fischbeinkorsett.«
    Das gab wieder Gelächter. Dann richteten sich aller Augen auf mich.
    »Und was hast du gemacht?«, fragte mich Devi.
    »Nur das, was ich mir vorgenommen hatte«, sagte ich in ernstem Ton. »Nur das, was nötig war, um die Puppe zu zerstören, damit ich nachts wieder in Sicherheit schlafen kann.«
    »Du hast seinen Nachttopf zerdeppert«, sagte Wilem.
    »Stimmt. Und ich hab das hier entdeckt«, sagte ich und hielt einen kleinen Zettel empor.
    »Wenn das eins seiner Gedichte ist«, sagte Devi, »schlage ich vor, dass du es ganz schnell verbrennst und dir die Hände wäschst.«
    |377| Ich faltete den Zettel auseinander und las vor: »Laufende Nummer: 4535. Ring. Weißgold. Blauer Rauchquarz. Fassung reparieren und reinigen.« Ich faltete den Zettel vorsichtig wieder zusammen und steckte ihn ein. »Für mich«, sagte ich, »ich das viel mehr als ein Gedicht.«
    Sim setzte sich aufrecht. »Ist das ein Pfandschein für den Ring deiner Dame?«
    »Es ist eine Auftragsbestätigung von einem Juwelier, wenn mich nicht alles täuscht. Ja, für einen Ring«, sagte ich. »Und sie ist übrigens nicht
meine
Dame.«
    »Ich komme gerade nicht mehr mit«, sagte Devi.
    »So hat das alles angefangen«, sagte Wilem. »Kvothe wollte etwas wiederbeschaffen, das einem Mädchen gehört, für das er schwärmt.«
    »Könnte mich bitte mal jemand ins Bild setzen?«, sagte Devi. »Ich hab ja offenbar die erste Hälfte der Geschichte verpasst.«
    Ich lehnte mich an einen Feldstein und ließ meine Freunde die Geschichte erzählen.
    Der kleine Zettel hatte sich nicht in Ambroses Kommode befunden. Er hatte auch weder auf dem Kaminsims noch auf dem Nachttisch gelegen, nicht im Schmuckkasten und auch nicht auf dem Schreibtisch.
    Nein, der Zettel hatte in Ambroses Geldbeutel gesteckt. Und den hatte ich ihm in einer Zornesaufwallung abgenommen – eine halbe Minute, nachdem er mich einen dreckigen, diebischen Ruh genannt hatte. Es war

Weitere Kostenlose Bücher