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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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bin nur auf die Universität gegangen, weil, wenn meine Brüder erst mal ihr Erbe antreten und meine Schwestern ihre Mitgift bekommen, außer meinem Familiennamen nicht mehr viel für mich übrig bleibt.«
    »Du wolltest eigentlich gar nicht hierher?«, fragte ich ungläubig.
    Sim zuckte zur Antwort nur die Achseln, und ich wollte schon nachhaken, als ich davon unterbrochen wurde, dass Wilem sich geräuschvoll erhob. »Fühlen wir uns jetzt der Brücke gewachsen?«
    Mein Kopf war bemerkenswert klar. Ich stand auf und geriet dabei nur ganz leicht ins Schwanken. »Ich bin dabei.«
    »Einen Moment noch.« Simmon ging in den Wald und knöpfte sich dabei die Hose auf.
    Sobald er außer Sicht war, kam Wilem zu mir. »Frag ihn nicht nach seiner Familie«, sagte er leise. »Es ist nicht leicht für ihn, darüber zu sprechen. Und wenn er betrunken ist, ist es noch schwieriger.«
    »Was –«
    Er machte eine energische Handbewegung und schüttelte den Kopf. »Später.«
    Simmon kam auf die Lichtung zurück, und dann machten wir drei uns schweigend auf den Weg – zurück auf die Straße, dann über die große Steinbrücke und heim zur Universität.

|416| Kapitel 39
Widersprüche
    S pät am nächsten Vormittag ging ich mit Wil in die Bibliothek. Dort wollten wir uns mit Sim treffen, um den Ausgang der am Vorabend geschlossenen Wetten zu klären.
    »Das Problem ist sein Vater«, erklärte mir Wil mit leiser Stimme, während wir zwischen den grauen Gebäuden hindurchgingen. »Er hat ein Herzogtum in Atur. Es ist gutes Land, aber –«
    »Moment mal«, unterbrach ich ihn. »Der Vater unseres kleinen Sim ist ein Herzog?«
    »Unser kleiner Sim«, bemerkte Wilem trocken, »ist drei Jahre älter und ein ganzes Stück größer als du.«
    »Welches Herzogtum ist es denn?«, fragte ich. »Und er ist nicht so viel größer, das stimmt nicht.«
    »Dalonir«, sagte Wilem. »Aber du weißt ja, wie das ist. Ein Adliger aus Atur. Kein Wunder, dass er nicht darüber spricht.«
    »Also bitte«, sagte ich und wies auf die Studenten auf der Straße rings um uns her. »Mal von der Zeit abgesehen, bevor die Kirche Caluptena niederbrennen ließ, ist diese Universität doch wirklich der Ort, an dem die aufgeschlossenste Atmosphäre herrscht.«
    »Mir ist aufgefallen, dass du auch nicht laut darüber sprichst, dass du ein Edema Ruh bist.«
    Das ging mir gegen den Strich. »Willst du damit etwa sagen, dass ich mich dafür schäme?«
    »Ich will damit nur sagen, dass du nicht laut darüber sprichst«, erwiderte Wil ganz ruhig und sachlich. »Und Simmon spricht auch nicht über seine Herkunft. Und ich nehme an, dass ihr beide eure Gründe dafür habt.«
    |417| Ich schluckte meinen Ärger hinunter und nickte.
    Wilem fuhr fort: »Dalonir liegt im Norden von Aturna, ist also relativ wohlhabend. Aber er hat drei ältere Brüder und zwei Schwestern. Der älteste Sohn ist der Erbe. Dem zweitältesten Sohn hat der Vater eine Offiziersstelle verschafft. Den drittältesten hat er in der Kirche untergebracht. Simmon …«, sagte Wilem und verstummte vielsagend.
    »Es fällt mir schwer, mir Sim als Priester vorzustellen«, sagte ich. »Oder als Soldat.«
    »Und deshalb ist er an der Universität gelandet«, schloss Wilem. »Sein Vater hat gehofft, er würde die Diplomatenlaufbahn einschlagen. Doch dann hat Sim die Alchemie und die Dichtkunst für sich entdeckt und ist dem Arkanum beigetreten. Sein Vater war nicht allzu begeistert davon.« Wilem gab mir mit einem Blick zu verstehen, dass er damit noch ziemlich untertrieb.
    »Aber ein Arkanist hat doch einen respektablen Beruf!«, widersprach ich. »Viel beeindruckender als ein parfümierter Speichellecker an irgendeinem Fürstenhof.«
    Wilem zuckte die Achseln. »Seine Studiengebühren werden bezahlt, und er bekommt weiter seinen Unterhalt.« Er hielt kurz inne, um jemandem auf der anderen Seite eines Hofs zuzuwinken. »Aber Simmon reist nie nach Hause. Nicht mal zu einem kurzen Besuch. Sein Vater liebt die Jagd, den Kampf, den Suff und die Weiber. Ich nehme an, unser sanftmütiger, bildungsbeflissener Sim hat nicht die Liebe bekommen, die ein so kluger Sohn verdient hätte.«

    Wir trafen Sim in unserem üblichen kleinen Lesezimmer und klärten noch einmal die Einzelheiten der Wetten, die wir in betrunkenem Zustand abgeschlossen hatten. Dann ging jeder von uns seiner Wege.
    Eine Stunde später kam ich mit einem Arm voller Bücher zurück. Meine Suche war sehr erleichtert worden, seit Nina mit ihrer Zeichnung bei

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