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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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mir aufgetaucht war. So hatte ich bereits erste Recherchen über die Amyr anstellen können.
    |418| Ich klopfte leise an die Tür des Lesezimmers und trat dann ein. Wil und Sim saßen bereits am Tisch.
    »Ich fange an«, sagte Simmon frohgemut. Er sah auf einer Liste nach und zog dann ein Buch aus seinem Stapel hervor. »Seite hundertzweiundfünfzig«, sagte er und blätterte, bis er die Seite fand. »Ah, da ist es ja. ›Das Mädchen erzählte ihnen alles.‹ … Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber. … ›Und dann führte sie sie zu der Stelle, an der sie auf die heidnischen Ausschweifungen gestoßen war.‹« Er hob den Blick und zeigte auf die Seite. »Siehst du, da steht’s: Heidnisch.«
    Ich setzte mich. »Und was hast du noch zu bieten?«
    Sims zweite Belegstelle war ganz ähnlich. Das dritte Buch aber hielt eine Überraschung bereit.
    »›Eine große Anzahl von Wegsteinen in der Umgebung, was darauf hindeuten könnte, dass in längst vergessenen Zeiten verschiedene Handelswege durch diese Gegend führten …‹« Er verstummte, zuckte die Achseln und reichte mir das Buch. »Das scheint ein Beleg für deine These zu sein.«
    Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. »Hast du die etwa nicht mal gelesen, bevor du sie hergebracht hast?«
    »In einer Stunde?« Da lachte er ebenfalls. »Wie soll das gehen? Ich habe einen Bibliothekar damit beauftragt.«
    Wilem warf ihm einen finsteren Blick zu. »Nein, hast du nicht. Du hast Puppet gefragt, nicht wahr?«
    Simmon setzte eine unschuldige Miene auf, was bei seinem von Natur aus unschuldig wirkenden Gesicht nur dazu führte, dass er durch und durch schuldig erschien. »Es könnte sein, dass ich bei ihm vorbeigeschaut habe«, räumte er ein. »Und es könnte auch sein, dass er mir ein paar Bücher vorgeschlagen hat, in denen etwas über Grausteine steht.« Als er Wilems Gesichtsausdruck sah, hob er eine Hand. »Jetzt rümpf mal hier nicht so die Nase. Es ist ja sowieso nach hinten losgegangen.«
    »Dieser Puppet schon wieder«, grummelte ich. »Werdet ihr mich denn jemals mit dem bekanntmachen? Ihr seid so verschwiegen, was diesen Kerl angeht.«
    Wilem zuckte die Achseln. »Das wirst du verstehen, wenn du ihn mal kennenlernst.«
    |419| Sims Bücher ließen sich in drei Kategorien einteilen. Die der ersten Kategorie stützten seine These und berichteten von heidnischen Ritualen oder Tieropfern. Die der zweiten Kategorie enthielten Spekulationen über eine antike Zivilisation, in der Grausteine als Wegmarkierungen gedient hatten, trotz des Umstands, dass einige davon auf Berghängen oder Flussgründen standen, wo auch früher keine Straßen verlaufen sein konnten.
    Das letzte seiner Bücher war aus anderen Gründen interessant:
    »… zwei nebeneinander stehende große Steinblöcke, und ein dritter liegt oben drauf …«, las Simmon vor. »Die Einheimischen nennen diese Steine ›das Portal‹. Bei Festlichkeiten im Frühling und Sommer werden sie geschmückt, und dann wird um die Steine herum getanzt, aber bei Vollmond verbieten die Eltern ihren Kindern, sich den Steinen zu nähern. Ein sehr angesehener alter Mann, der ansonsten einen vernünftigen Eindruck machte, behauptete …«
    Sim hörte mitten im Satz auf vorzulesen. »Na ja, ist ja auch egal«, sagte er in abfälligem Ton und wollte das Buch schon zuschlagen.
    »Was behauptete er?«, fragte Wilem, dessen Neugier geweckt war.
    Simmon verdrehte die Augen und las weiter: »… zu bestimmten Zeiten könnten Menschen durch diese steinerne Pforte in das Feenland gelangen und zu Felurian höchstselbst, aus deren Liebesumarmungen kein Mann je wiedergekehrt sei.«
    »Interessant«, murmelte Wilem.
    »Nein, das ist nicht interessant. Das ist kindischer, abergläubischer Schwachsinn«, sagte Simmon gereizt. »Und es hilft uns auch nicht zu entscheiden, wer denn nun recht hat.«
    »Wie sieht deine Punktewertung aus, Wilem?«, fragte ich. »Du bist unser Unparteiischer.«
    Wilem wandte sich zum Tisch und überflog die Bücher. Seine dunklen Augenbrauen hoben und senkten sich, während er überlegte. »Sieben für Simmon. Sechs für Kvothe. Dreimal gegensätzliche Meinungen.«
    Wir sahen uns kurz auch noch die vier Bücher an, die ich mitgebracht hatte. Wilem ließ eines davon nicht gelten, wodurch es nun sieben zu zehn für mich stand. »Nicht gerade eindeutig«, sagte Wilem.
    |420| »Wir könnten uns auf ein Unentschieden einigen«, schlug ich großzügig vor.
    Simmon blickte finster. Bei aller Gutmütigkeit, die ihm eigen

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