Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
in bedauerndem Ton. »Aber ich spreche leider kein Tema. Kvothe konnte das übrigens auch nicht. Er hatte die Verse bloß rechtzeitig auswendig gelernt. Und dann hat er so getan, als würde er sie vorlesen, und da musste der Gerichtshof des Commonwealth ihn gehen lassen.
    Kvothe wusste, dass es zwei Tage dauern würde, bis ein Tehlaner-Richter nach Amary kommen konnte. Und so machte er sich daran, Tema zu lernen. Er las einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang alle möglichen Bücher und übte die Sprache. Und er war so unheimlich klug, dass er danach besser Tema sprach als die meisten Leute, die sich ihr ganzes Leben lang damit befasst hatten.
    Und dann, an dem zweiten Tag, kurz bevor der Richter eintraf, mischte sich Kvothe einen Zaubertrank. Er bestand aus Honig und einem speziellen Stein, den man nur im Gehirn von Schlangen findet, und aus einer Pflanze, die nur am Grunde des Meeres wächst. Und nachdem er ihn getrunken hatte, ließ dieser Zaubertrank seine Stimme so lieblich klingen, dass jeder, der ihm zuhörte, gar nicht anders konnte, als allem zuzustimmen, was er sagte.
    Als dann der Richter schließlich eintraf, war das ganze Gerichtsverfahren nach einer Viertelstunde vorüber«, sagte Cob und kicherte. »Kvothe hielt eine schöne Ansprache in perfektem Tema, alle stimmten ihm zu, und dann gingen sie nach Hause.«
    |483| »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute«, sagte der rothaarige Mann hinter dem Tresen.

    Anschließend ging es wieder ruhig zu im Wirtshaus. Draußen herrschte eine trockene Hitze, die Luft war staubig, und es roch nach Spreu.
    Im Wirtshaus zum WEGSTEIN aber war es schummrig und kühl. Die Männer hatten gerade den letzten Rest Kuchen verputzt und hatten noch ein wenig Bier in ihren Krügen. Deshalb blieben sie dort noch ein bisschen sitzen, mit dem schuldbewussten Gehabe von Männern, die zu stolz sind, um einfach nur mal ein bisschen faul zu sein.
    »Ich hab mich ja nie groß für diese Kvothe-Geschichten interessiert«, sagte der Wirt in sachlichem Ton, während er das Geschirr einsammelte.
    Der alte Cob blickte von seinem Bier auf. »Tatsächlich?«
    Der Wirt zuckte die Achseln. »Wenn ich eine Geschichte hören will, in der es um Magie geht, möchte ich, dass darin auch ein richtiger Magier vorkommt. Jemand wie Taborlin der Große oder Serapha. Oder der Chronist.«
    Der Chronist, der am anderen Ende des Tresens saß, verschluckte sich nicht und zuckte auch nicht zusammen. Er hielt lediglich eine halbe Sekunde lang inne, ehe er seinen Löffel wieder in seinen zweiten Teller Suppe senkte.
    Im Schankraum kehrte wieder behagliches Schweigen ein, während der Wirt das restliche Geschirr zusammenräumte und sich damit in Richtung Küche aufmachte. Doch bevor er an der Küchentür angelangt war, meldete sich Graham zu Wort. »Der Chronist?«, sagte er. »Von dem habe ich ja noch nie gehört.«
    Der Wirt sah sich mit erstaunter Miene um. »Hast du nicht?«
    Graham schüttelte den Kopf.
    »Doch, hast du bestimmt«, sagte der Wirt. »Er trägt ein großes Buch mit sich herum, und alles, was er da hineinschreibt, wird Wirklichkeit.« Er sah sie alle erwartungsvoll an. Jake schüttelte ebenfalls den Kopf.
    |484| Der Wirt wandte sich an den Schreiber, der am anderen Ende des Tresens saß und sich ganz auf sein Essen konzentrierte. »Ihr habt aber doch bestimmt schon von ihm gehört«, sagte Kote. »Man nennt ihn den Herrn der Geschichten, und wenn er ein Geheimnis über jemanden erfährt, kann er über ihn in sein Buch hineinschreiben, was er will.« Er sah den Schreiber an. »Habt Ihr nie von ihm gehört?«
    Der Chronist senkte den Blick und schüttelte den Kopf. Er tunkte seine Brotrinde in die Suppe und aß sie schweigend.
    Der Wirt wirkte erstaunt. »Als ich ein kleiner Junge war, habe ich den Chronisten viel lieber gemocht als Taborlin den Großen oder die anderen. In seinen Adern fließt ein wenig Feenblut, und das macht ihn klüger als einen normalen Menschen. Er kann auch an einem bewölkten Tag hundert Meilen weit sehen und kann durch eine dicke Eichentür hindurch ein Flüstern hören. Und er kann sogar in einer mondlosen Nacht einer Maus durch einen Wald hindurch folgen.«
    »Ich hab von ihm gehört«, sagte Bast eifrig. »Sein Schwert heißt Sheave, und die Klinge besteht aus einem einzigen Blatt Papier. Sie ist federleicht, aber gleichzeitig so scharf, dass man zuerst das Blut sieht, und dann erst den Schnitt spürt.«
    Der Wirt nickte. »Und wenn er deinen

Weitere Kostenlose Bücher