Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
Frau, die einen Geigenkasten trug, nickte mir zu. »Er hat sich sein Abzeichen verdient, während du nicht da warst. Das hat schon seine Richtigkeit.«
    »Danke, Marie«, sagte ich, und der Türsteher ließ uns ein.
    Wir vier fanden einen freien Tisch hinten im Saal, von dem aus man einen guten Blick auf die Bühne hatte. Ich sah mich unter den Leuten um und wehrte einen nur allzu vertrauten Anflug von Enttäuschung ab, als ich Denna nirgends entdecken konnte.
    »Was sollte denn das am Eingang?«, fragte Manet, der sich ebenfalls umsah und besonders die Bühne und das hohe Deckengewölbe betrachtete. »Zahlt man hier etwa normalerweise Eintritt?«
    Ich sah ihn an. »Du studierst seit dreißig Jahren, warst aber noch nie im EOLIAN?«
    »Na ja, weißt du …«, sagte er und machte eine vage Handbewegung. »Ich hab halt immer viel zu tun. Ich komme nicht allzu oft auf diese Seite des Omethi.«
    Sim lachte und setzte sich. »Dann werde ich es mal so erklären, dass auch du es verstehst, Manet. Wenn es eine Universität für Musik gäbe, dann wäre sie das hier, und Kvothe wäre an dieser Uni ein allseits anerkannter Arkanist.«
    »Der Vergleich hinkt aber mächtig«, sagte Wil. »Das hier ist eher ein Fürstenhof der Musik, und Kvothe gehört zum Hofstaat. Wir sind sein Gefolge und dürfen daher mit rein. Das ist übrigens der Grund, weshalb wir es schon so lange mit ihm aushalten, obwohl er eigentlich so eine unglaubliche Nervensäge ist.«
    »Ein ganzer Jot, bloß um hier reinzukommen?«, fragte Manet.
    Ich nickte.
    Manet sah sich weiter um und betrachtete die fein gekleideten |63| Adligen, die droben auf den Rängen promenierten. »Na dann«, sagte er, »habe ich heute wohl was gelernt.«

    Das EOLIAN begann sich gerade erst zu füllen, und daher vertrieben wir uns die Zeit damit, Corners zu spielen. Die Einsätze waren ganz harmlos, es ging nur um einen Deut pro Runde, und das Doppelte wurde fällig, wenn man sich beim Mogeln erwischen ließ, aber so bitterarm, wie ich war, war jeder Einsatz hoch für mich. Zum Glück spielte Manet so verlässlich wie eine Zahnraduhr: keine auch nur versuchten Tricks, keine riskanten Manöver, kein Spiel aus dem Bauch heraus.
    Simmon zahlte die erste Runde Getränke und Manet die zweite. Als dann schließlich die Lichter im EOLIAN gedämpft wurden, führten Manet und ich mit zehn Punkten Vorsprung, was größtenteils Simmons Hang zum halsbrecherischen Überreizen zu verdanken war. Ich steckte den gewonnenen Kupfer-Jot mit grimmiger Genugtuung ein.
Ein Talent, vier Jots
.
    Ein älterer Herr betrat die Bühne. Nachdem Stanchion ihn kurz vorgestellt hatte, spielte er auf einer Mandoline eine schmerzlich schöne Version von
Taetns letzte Stunde
. Seine Finger bewegten sich leicht, schnell und sicher über die Saiten. Aber seine Stimme …
    Die meisten Dinge lassen mit dem Alter nach. Die Hände und der Rücken werden steif, die Sehkraft verringert sich, die Haut wird rauh, und die Schönheit schwindet. Die einzige Ausnahme dieser Regel ist die Stimme. Bei guter Pflege und stetem Gebrauch wird die menschliche Stimme mit dem Alter immer noch schöner. Seine Stimme war wie lieblichster Honigwein. Er wurde für sein Lied mit innigem Beifall bedacht, und dann wurde es wieder hell im Saal, und das Stimmengewirr schwoll wieder an.
    »Es gibt Pausen zwischen den einzelnen Auftritten«, erklärte ich Manet. »Damit die Leute sich unterhalten und umhergehen und sich was zu trinken besorgen können. Wenn du aber während eines Auftritts zu schwatzen anfängst, können selbst Tehlu und die Schar seiner Engel dich nicht beschützen.«
    |64| Manet schnaubte. »Mach dir mal keine Sorgen, dass ich euch in Verlegenheit bringen könnte. So ein Banause bin ich nun auch wieder nicht.«
    »Ich wollte dich nur fairerweise warnen«, sagte ich. »Du sagst mir ja immer, was im Handwerkszentrum gefährlich ist, und jetzt sage ich dir, was hier gefährlich ist.«
    »Seine Laute war irgendwie anders als deine«, sagte Wilem. »Sie klang anders. Und kleiner war sie auch.«
    Ich zwang mich, ganz ernst zu bleiben. »Diese Art von Laute nennt man ›Mandoline‹«, sagte ich.
    »Du wirst doch auch was spielen, nicht wahr?«, fragte Simmon und rutschte wie ein aufgeregter junger Hund auf seinem Sitz hin und her. »Du solltest das Lied spielen, das du über Ambrose geschrieben hast.« Er begann die Melodie zu summen und sang dann:
     
    Ein Muli kann zaubern lernen, der hat dafür ein Näsel,
    Denn anders als Rosey etwa

Weitere Kostenlose Bücher