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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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würde sie sich gerade für einen Ringkampf bereit machen. Oder dafür, ein wildes Pferd zuzureiten.«
    »Stimmt«, sagte Manet und lachte erneut leise. »Wenn wir in besseren Zeiten lebten, hätte man einer Frau wie ihr längst einen Tempel errichtet.«
    Wir verstummten, denn Marie hatte ihre Geige fertig gestimmt und begann mit einem lieblichen Rundtanz, so sacht wie eine sanfte Frühlingsbrise.
    Ich hatte jetzt keine Zeit, es ihm zu sagen, aber Simmon hatte recht: Im ZÜNDSTEIN hatte ich Marie einmal einen Mann verprügeln |69| sehen, der sie als »Fiedel-Schlampe mit großer Klappe«, bezeichnet hatte. Sie hatte ihn auch noch getreten, als er schon am Boden lag – aber nur einmal und nirgendwohin, wo er bleibende Schäden zurückbehalten hätte.
    Marie zog das Tempo ganz allmählich an, und die Melodie wurde so zu einer Weise, zu der man nur tanzen würde, wenn man außergewöhnlich leichtfüßig oder sehr betrunken war.
    Sie zog das Tempo weiter an, bis kein Mensch mehr dazu hätte tanzen können. Nun raste das Lied dahin, wie schnellste Kinderfüße. Ich staunte, wie sauber sie trotz der fieberhaften Schnelligkeit spielte.
    Sie wurde noch schneller. So schnell wie ein von einem Hund gehetztes Reh. Ich begann nervös zu werden, denn mir war klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis sie sich verspielte. Doch irgendwie gelang es ihr weiterzumachen und jeden einzelnen Ton perfekt zu treffen. In hohen Bögen flogen ihre Finger über die Saiten, und ihre Bogenhand blieb trotz der aberwitzigen Geschwindigkeit ganz locker.
    Immer noch schneller. Ihr Gesicht wirkte konzentriert. Ihren Arm, der den Bogen führte, sah man nur noch verschwommen. Noch einmal schneller. Sie hatte ihre langen Beine fest auf der Bühne aufgepflanzt und hielt die Geige unverwandt ruhig am Kinn. Jeder einzelne Ton erklang so klar wie frühmorgendlicher Vogelgesang. Schneller, immer schneller.
    Sie schloss stürmisch und verneigte sich schnell, und das alles ohne einen einzigen Fehler. Ich war so nassgeschwitzt wie ein forsch gerittenes Pferd, und mein Herz raste.
    Und es ging nicht nur mir so. Wil und Sim stand ebenfalls der Schweiß auf der Stirn.
    Manet hatte die Tischkante gepackt, und seine Fingerknöchel waren weiß. »Grundgütiger Tehlu«, sagte er atemlos. »Gibt es hier jeden Abend solche Musik?«
    Ich lächelte ihm zu. »Es ist noch früh«, sagte ich. »Und du hast mich noch nicht spielen gehört.«

    |70| Wilem spendierte die nächste Runde, und unser Gespräch wandte sich dem universitären Klatsch und Tratsch zu. Da Manet schon länger dabei war als viele der Meister, kannte er mehr Skandalgeschichten als wir drei zusammen.
    Dann spielte ein graubärtiger Lautenist eine sehr zu Herzen gehende Version von
En Faeant Morie
. Anschließend sangen zwei schöne Frauen, eine in den Vierzigern und die andere jung genug, um ihre Tochter sein zu können, ein Duett über Laniel Wiederjung, das ich noch nie gehört hatte.
    Nun wurde wieder Marie auf die Bühne gerufen, und sie spielte eine schlichte Jig, einen Volkstanz, aber mit solcher Begeisterung, dass einige Leute aufsprangen und zwischen den Tischen tanzten. Beim letzten Refrain hielt es auch Manet nicht mehr auf dem Stuhl, und er verblüffte uns, indem er eine bemerkenswerte Leichtfüßigkeit an den Tag legte. Wir jubelten ihm zu, und als er sich schließlich wieder setzte, war er rot im Gesicht und ganz außer Atem.
    Wil beschaffte ihm etwas zu trinken, und Simmon wandte sich mit aufgekratztem Blick zu mir um.
    »Nein«, sagte ich. »Das spiele ich nicht. Das hab ich dir doch schon gesagt.«
    Sim sank so tief enttäuscht in sich zusammen, dass ich einfach lachen musste. »Ich sag dir was: Ich mache jetzt mal eine Runde durch den Saal, und falls ich Threpe treffe, schlage ich ihm vor, dass er es singen soll.«
    Langsam bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmenge, und während ich nach Threpe Ausschau hielt, suchte ich doch in Wirklichkeit nach Denna. Ich hatte sie nicht durch den Haupteingang hereinkommen sehen, doch bei all der Musik, dem Kartenspiel und dem allgemeinen Gedränge konnte es durchaus sein, dass ich sie schlicht und einfach übersehen hatte.
    Ich brauchte eine Viertelstunde, mich durchs Erdgeschoss hindurchzuarbeiten, allen Anwesenden ins Gesicht zu sehen und zwischendurch kurz zu verweilen und mit ein paar Musikern zu plaudern.
    Ich stieg gerade zum ersten Rang hinauf, als die Lichter wieder gedämpft wurden. So blieb ich am Treppengeländer stehen und

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