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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ausgeben kann«, sagte Simmon.
    »Man kann noch viel mehr dafür ausgeben«, sagte Manet. »Das ist wie bei Pferden.«
    Da geriet das Gespräch ein wenig ins Stocken. Wil und Sim sahen ihn verwirrt an.
    Ich lachte. »Ja, das ist tatsächlich ein guter Vergleich.«
    Manet nickte den beiden zu. »Bei Pferden gibt es auch eine immense Preisspanne. Einen altersschwachen Ackergaul kriegt man schon für weniger als ein Talent. Für einen hochtrabenden Vaulder aber muss man vierzig Talente hinlegen.«
    »Das reicht wohl kaum«, grunzte Wil. »Nicht, wenn es ein echter Vaulder ist.«
    |67| Manet lächelte. »Genau das ist es. Die höchste Summe, von der du je gehört hast, dass jemand sie für ein Pferd ausgegeben hat, lässt sich mit Leichtigkeit auch für eine gute Harfe oder Geige ausgeben.«
    Simmon guckte verblüfft. »Aber mein Vater hat mal zweihundertfünfzig Talente für einen großen Kaepcaen hingelegt«, sagte er.
    Ich lehnte mich zur Seite und zeigte in den Saal. »Siehst du den blonden Mann da? Seine Mandoline ist doppelt so viel wert.«
    »Aber«, sagte Simmon. »Bei Pferden geht’s doch um die Abstammung. Pferde kann man züchten, um sie zu verkaufen.«
    »Bei der Mandoline geht es auch um die Abstammung«, sagte ich. »Sie wurde von Antressor höchstpersönlich gebaut. Sie ist hundertfünfzig Jahre alt.«
    Ich sah zu, wie Simmon diese Informationen verdaute und sich dabei nach all den anderen Instrumenten im Raum umsah. »Trotzdem«, sagte er. »Zwanzig Talente …« Er schüttelte den Kopf. »Wieso hast du damit nicht wenigstens bis nach der Zulassungsprüfung gewartet? Dann hättest du das Geld, das dir noch geblieben wäre, für eine Laute ausgeben können.«
    »Ich habe sie für meine Auftritte im ANKER’S gebraucht«, erklärte ich. »Als Hausmusiker habe ich da freie Kost und Logis. Wenn ich nicht spielen würde, müsste ich da raus.«
    Das war die Wahrheit – aber nicht die ganze Wahrheit. Anker hätte Nachsicht walten lassen, wenn ich ihm meine Lage geschildert hätte. Doch wenn ich so lange abgewartet hätte, hätte ich fast zwei Spannen lang keine Laute gehabt. Das hätte sich angefühlt, als fehlte mir ein Arm oder Bein. Als hätte ich zwei Spannen mit zugenähtem Mund überstehen müssen. Undenkbar.
    »Ich hab das auch nicht alles nur für die Laute ausgegeben«, sagte ich. »Ich hatte auch noch andere Unkosten.« Genauer gesagt, hatte ich den Gaelet ausbezahlt, von dem ich mir Geld geliehen hatte. Das hatte mich sechs Talente gekostet, doch von meinen Schulden bei Devi befreit zu sein hatte sich angefühlt, als wäre eine ungeheure Last von mir genommen.
    Nun aber spürte ich, wie mir eben diese Last wieder aufgeladen wurde. Wenn Manets Schätzung auch nur halbwegs zutraf, war ich sogar noch schlimmer dran, als ich angenommen hatte.
    |68| Zum Glück wurden in diesem Augenblick die Lichter gedämpft, und im Saal wurde es wieder stiller, was mir ersparte, mich weiter zu rechtfertigen. Wir sahen hoch, und Stanchion geleitete Marie auf die Bühne. Er plauderte auf seine gewohnte Art mit einigen Leuten in den ersten Reihen, während sie ihre Geige stimmte, und dann wurde es allmählich ganz still im Saal.
    Ich mochte Marie. Sie war größer als die meisten Männer, stolz wie eine Katze und sprach mindestens vier Sprachen. Viele Musiker in Imre gaben sich alle Mühe, der neusten Mode zu folgen, um sich so zumindest äußerlich dem Adel anzugleichen, Marie aber trug Straßenkleidung. Hosen, die einen langen Arbeitstag vertrugen, und Stiefel, die auch für einen Zwanzig-Meilen-Marsch getaugt hätten.
    Ich will damit nicht sagen, dass sie schlicht gekleidet war, das wirklich nicht. Sie machte sich bloß nichts aus Mode und Flitterkram. Ihre Kleidung war offenkundig maßgeschneidert – sie saß perfekt und wirkte sehr vorteilhaft. An diesem Abend trug sie Burgunderrot und Braun, die Farben ihrer Schirmherrin Lady Jhale.
    Wir vier sahen gebannt auf die Bühne. »Ich gebe zu«, sagte Wilem leise, »dass ich Marie durchaus schon in Erwägung gezogen habe.«
    Manet lachte leise auf. »Diese Frau ist eine Wucht, eine Naturgewalt. Mit der wäre jeder von uns gleich mehrfach überfordert.« So eine Aussage hätte uns drei bei anderer Gelegenheit wahrscheinlich zu großspurigem Widerspruch angestachelt. Doch Manet konstatierte das einfach nur, ohne den mindesten Hohn, und daher ließen wir es durchgehen. Zumal er wohl recht damit hatte.
    »Nichts für mich«, sagte Simmon. »Sie sieht doch immer so aus, als

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