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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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verärgert.
»Jetzt müssen wir sie heute durchführen, auch wenn Vashet nicht da ist.«
    Ich spürte eine vertraute Beklemmung, die wie ein schwarzer Vogel die Krallen tief in meine Nacken- und Schultermuskeln schlug. Ich hatte nach dem langweiligen Auswendiglernen schon aufatmen wollen, aber die nächste Herausforderung stand offenbar unmittelbar bevor. Auch das Wort »Steinprüfung« klang ziemlich beunruhigend.
    »Komm nach dem Mittagessen wieder hierher«, beschied Shehyn mich. Sie entließ mich mit einer Handbewegung. »Geh. Ich muss bis dahin noch viel vorbereiten.«
    Ich machte mich auf die Suche nach Penthe. Von Vashet abgesehen, die ja nicht da war, kannte ich sie als Einzige so gut, dass ich sie nach der Prüfung fragen konnte.
    Doch ich traf sie weder in ihrem Haus an noch in der Schule noch im Badehaus. Schließlich gab ich die Suche auf, begann mit meinen Aufwärmübungen und übte den Ketan, zuerst mit und dann ohne Schwert. Anschließend begab ich mich ins Badehaus und säuberte mich von drei Tagen untätigen Herumsitzens.
    Bei meiner Rückkehr vom Mittagessen wartete Shehyn bereits auf mich. In der Hand hielt sie ihr Holzschwert. Als sie meine leerenHände sah, machte sie eine ungeduldige Geste. »Wo ist dein Übungsschwert?«
    »In meinem Zimmer«, antwortete ich. »Ich wusste nicht, dass ich es brauche.«
    »Dann hol es schnell. Und anschließend komm zum Hügel der Steine.«
    »Shehyn«, sagte ich.
Dringende Anfrage.
»Ich weiß nicht, wo das ist. Ich habe auch keine Ahnung, was die Steinprüfung ist.«
    Überraschung.
»Vashet hat es dir nicht gesagt?«
Unglaube.
    Ich schüttelte den Kopf.
Aufrichtige Entschuldigung.
»Wir waren mit anderen Dingen beschäftigt.«
    Ungeduld.
»Das ist schnell erklärt. Zuerst wirst du vor den anderen das
atas
deines Schwertes vortragen. Dann steigst du den Hügel hinauf. Beim ersten Stein wirst du gegen ein Mitglied der Schule kämpfen, das den Rang des ersten Steins bekleidet. Wenn du siegst, wirst du weiter hinaufsteigen und gegen jemanden vom Rang des zweiten Steins kämpfen.«
    Shehyn sah mich an. »Ich sage das nur der Vollständigkeit halber. Hin und wieder haben wir einen außergewöhnlich talentierten Schüler wie zum Beispiel Vashet. Sie schaffte gleich beim ersten Versuch den zweiten Stein.«
Reine Wahrheit.
»Aber du gehörst nicht dazu. Dein Ketan ist noch schlecht und du wirst voraussichtlich nicht einmal den ersten Stein schaffen. Der Hügel der Steine liegt östlich vom Badehaus.« Shehyn machte eine ungeduldige Handbewegung.
Beeilung.
     
    Bei meinem Eintreffen am Fuß des Hügels hatten sich dort bereits über hundert Zuschauer versammelt. Schlichte Kleider in Grau und anderen gedämpften Farben überwogen gegenüber dem Rot der Söldner. Das leise Murmeln der Menge war schon von weitem zu hören.
    Der Hügel war weder besonders hoch noch besonders steil. Trotzdem führte der Weg in einer Reihe von Spitzkehren nach oben. An jeder Kehre stand auf einem breiten, ebenen Absatz ein großer grauer Steinblock. Entsprechend den vier Spitzkehren gab es vier Steine, neben denen wiederum vier rotgekleidete Söldner warteten.Auf der Kuppe des Hügels stand ein hoher Graustein, ein Anblick, der mir vertraut war wie ein Freund. Daneben wartete eine kleine, strahlend weiß gekleidete Gestalt.
    Beim Näherkommen stieg mir der Geruch von gerösteten Kastanien in die Nase. Meine Aufregung legte sich ein wenig. Offenbar erwartete mich eine Art Fest. »Steinprüfung« klang zwar furchterregend, aber im Angesicht so vieler Zuschauer, denen geröstete Kastanien verkauft wurden, würde man mich wohl kaum misshandeln.
    Zwischen den Zuschauern hindurch näherte ich mich dem Hügel. Ich sah jetzt, dass neben dem Graustein Shehyn stand. Außerdem erkannte ich beim dritten Stein Penthes herzförmiges Gesicht und ihren langen Zopf.
    Die Zuschauer machten mir höflich Platz und ich trat zum Fuß des Hügels. Aus dem Augenwinkel sah ich eine blutrote Gestalt auf mich zueilen. Erschrocken drehte ich mich nach ihr um. Es war niemand anders als Tempi. Er eilte zu mir und begrüßte mich mit einer begeisterten Handbewegung.
    Ich unterdrückte den Drang zu lächeln und seinen Namen zu rufen und machte stattdessen die Geste für
freudige Erregung.
    Tempi blieb vor mir stehen, fasste mich an den Schultern und rüttelte mich ein wenig, als wollte er mir gratulieren. Doch seine Augen blickten ernst. Seine Hand, die er dicht an die Brust gedrückt hielt, so dass nur ich sie sehen

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