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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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saß mit Vashet auf der Kuppe eines grünen Hügels und sah zu, wie die Sonne hinter den Wolken im Osten aufging.
    »Saicere bedeutet zu fliegen, zu fangen und zu brechen«, sagte Vashet leise. Sie hatte es schon hundert Mal gesagt. »Vergiss nicht die Hände all derer, die es vor dir gehalten haben. Viele Hände, die alle dem Lethani folgten. Du darfst das Schwert nicht missbrauchen.«
    »Versprochen«, sagte ich zum hundersten Mal. Ich zögerte kurz, dann brachte ich etwas anderes zur Sprache, das mich beschäftigte. »Aber du hast mit deinem Schwert die Weidenrute zugeschnitten, mit der du mich geschlagen hast, Vashet. Einmal hast du es auch dazu verwendet, das Fenster offen zu halten, und du schneidest dir damit die Nägel …«
    Vashet sah mich verständnislos an. »Und?«
    »Missbrauchst du es damit nicht?«
    Vashet legte den Kopf schräg und lachte. »Du meinst, ich sollte es nur zum Kämpfen verwenden?«
    Ich machte die Geste für
richtige Folgerung.
    »Ein Schwert ist scharf«, sagte sie. »Es ist ein Werkzeug und ich trage es ständig bei mir. Warum sollte ich es also nicht auch für andere Dinge verwenden?«
    »Es kommt mir respektlos vor«, erklärte ich.
    »Man respektiert etwas, indem man es für einen nützlichen Zweck einsetzt«, erwiderte Vashet. »Ich kehre womöglich erst in einigen Jahren wieder als Söldner in ein barbarisches Land zurück. Warum sollte es meinem Schwert schaden, wenn es bis dahin Anzündholzund Karotten schneidet?« Sie wurde ernst. »Ein Schwert das ganze Leben mit sich herumzutragen und zu wissen, dass es nur zum Töten gedacht ist …« Sie schüttelte den Kopf. »Was stellt das mit einem an? Es wäre doch schrecklich.«
    Vashet war am Abend zuvor nach Haert zurückgekehrt und unglücklich gewesen, dass sie meine Steinprüfung verpasst hatte. Sie meinte allerdings, es sei richtig gewesen, das Schwert wegzulegen, da Carceret es auch getan hatte, und dass sie stolz auf mich sei.
    Shehyn hatte mich am Tag zuvor offiziell eingeladen, an der Schule zu bleiben und eine Ausbildung zu absolvieren. Theoretisch hatte ich mir dieses Recht verdient, doch hatte das, wie alle wussten, noch nichts zu sagen. Shehyns Angebot war sehr schmeichelhaft, eine Gelegenheit, die sich mir wahrscheinlich nie wieder bieten würde.
    Wir sahen zu, wie ein Junge eine Herde Ziegen die Hügelflanke hinuntertrieb. »Stimmt es eigentlich, dass den Adem die Vorstellung einer Vaterschaft fremd ist, Vashet?«
    Vashet nickte unbekümmert und sah mich an. »Sag jetzt bitte, dass du nicht mit allen darüber geredet hast, während ich weg war, und uns dadurch beide unmöglich gemacht hast.« Sie seufzte.
    »Nur mit Penthe«, erwiderte ich. »Sie meinte, sie hätte schon lange nicht mehr etwas so Lustiges gehört.«
    »Es ist ja auch lustig.« Vashets Lippen deuteten ein Lächeln an.
    »Dann stimmt es?«, fragte ich. »Sogar du glaubst es? Du …«
    Vashet hob die Hand und ich verstummte. »Reg dich nicht auf. Denk über deine Mann-Mütter, was du willst, mir ist das egal.« Sie lächelte in Erinnerungen versunken. »Mein Dichterkönig glaubte sogar, eine Frau sei lediglich der Boden, in den der Mann ein Baby pflanzt.«
    Sie schnaubte belustigt. »Er war fest davon überzeugt, dass er recht hätte. Nichts konnte ihn darin erschüttern. Ich habe schon vor Jahren beschlossen, dass es nur Zeitverschwendung ist, mit einem Barbaren darüber zu streiten, wie Babys entstehen.« Sie zuckte die Achseln. »Denk dir, was du willst. Glaube meinetwegen an Dämonen oder bete zu Ziegen. Solange ich nicht darunter leide, warum sollte es mich kümmern?«
    Ich dachte über ihre Worte nach. »Eine kluge Entscheidung«, sagte ich.
    Sie nickte.
    »Aber entweder ein Mann trägt zur Entstehung eines Babys bei oder nicht«, gab ich zu bedenken. »Man kann darüber verschiedener Meinung sein, aber es gibt nur eine Wahrheit.«
    Vashet lächelte träge. »Wenn es mein Ziel wäre, die Wahrheit herauszufinden, würde mich das etwas angehen.« Sie gähnte ausgiebig und streckte sich wie eine zufriedene Katze. »Aber ich konzentriere mich lieber auf die Freude in meinem Herzen, das Wohl der Schule und das Verständnis des Lethani. Wenn mir dann noch Zeit bleibt, mache ich mir über die Wahrheit Gedanken.«
    Wir betrachteten noch eine Weile stumm den Sonnenaufgang. Vashet kam mir wie ein anderer Mensch vor, wenn sie einmal nicht versuchte, mir in kürzester Zeit die Übungen des Ketan und die Regeln des Ademischen einzupauken.
    »Wenn du also

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