Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Kätzchen?«, fragte ich. »Du hast bestimmt schon welche gesehen. Wenn es eine weiße und eine schwarze Katze miteinander treiben, bekommst du weiße, schwarze und schwarzweiß gefleckte Kätzchen.«
»Immer?«
»Nicht immer«, musste ich zugeben. »Aber meistens.«
»Und wenn nun ein gelbes Kätzchen herauskommt?«
Bevor ich mir eine Antwort überlegen konnte, wischte sie die Frage mit einer Handbewegung beiseite. »Kätzchen haben damit nichts zu tun«, sagte sie. »Wir sind keine Tiere. Wir werden nicht läufig, legen keine Eier und erzeugen keine Kokons, Früchte oder Samen. Wir sind weder Hunde noch Frösche noch Bäume.«
Sie musterte mich mit einem ernsten Blick. »Du machst einen gedanklichen Fehler. Genauso gut könntest du sagen, zwei Steine machen ein Baby, indem sie aneinander schlagen, bis ein Stück abbricht, und deshalb machen die Menschen es auch so.«
Ich war wütend, aber sie hatte recht. Die Analogie stimmte nicht. Mein Vergleich war nicht zwingend.
In dieser Art unterhielten wir uns noch eine Zeitlang weiter. Ich fragte Penthe, ob sie eine Frau kenne, die schwanger geworden sei, ohne in den Monaten davor mit einem Mann geschlafen zu haben. Penthe entgegnete, sie kenne überhaupt keine Frau, die bereit sei, so lange darauf zu verzichten, mit Ausnahme schwerkranker und alter Frauen oder der Frauen, die gerade Länder der Barbaren bereisten.
Endlich gebot sie mir mit einem ungeduldigen Wink zu schweigen. »Hör dir doch an, wie fadenscheinig du klingst. Durch Liebe entstehen Babys, aber nicht immer. Die Babys sehen wie die Mann-Mütter aus, aber nicht immer. Das Liebesspiel muss zum richtigen Zeitpunkt erfolgen, aber auch nicht immer. Bestimmte Pflanzen machen Babys mehr oder weniger wahrscheinlich.« Sie schüttelte den Kopf. »Dir ist hoffentlich klar, dass deine Argumente äußerst dünn sind. Du stopfst immer neue Löcher in der Hoffnung, alles wasserdicht zu machen. Aber nur weil du das hoffst, wird es noch lange nicht wahr.«
Auf mein Stirnrunzeln hin nahm sie meine Hand, drückte sie wie schon zuvor im Speisesaal, indem sie die Geste für
Trost
machte, und sah mich ernst an. »Ich sehe schon, du glaubst wirklich an das, was du behauptest. Ich verstehe ja, warum die Männer der Barbaren das glauben wollen. Es macht sie wichtig und ist bestimmt ein gutes Gefühl. Aber es stimmt einfach nicht.«
Sie sah mich fast schon mitleidig an. »Frauen reifen einfach manchmal, das ist ganz natürlich, und die Männer haben damit nichts zu tun. Deshalb werden auch mehr Frauen im Herbst reif, wie Früchte. Und deshalb werden auch mehr Frauen hier in Haert reif, weil es hier besser ist, ein Kind zu haben.«
Ich suchte nach einem weiteren überzeugenden Argument, aber es wollte mir keines einfallen. Es war zum Aus-der-Haut-fahren.
Penthe sah mein Gesicht, drückte mir die Hand und machte die Geste für
Zugeständnis.
»Vielleicht ist es ja bei den Frauen der Barbaren anders.«
»Das sagst du nur, um mich zu trösten«, erwiderte ich verdrossen und musste plötzlich so heftig gähnen, dass meine Kiefer knackten.
»Stimmt«, gab sie zu. Sie küsste mich zärtlich und drückte mich an den Schultern nach unten. Ich sollte mich wieder hinlegen.
Ich gehorchte und sie schmiegte sich in meine Armbeuge und legte den Kopf auf meine Schulter. »Als Mann hat man es schwer«, sagte sie leise. »Eine Frau kennt ihren Platz in der Welt und steht mitten im Leben. Sie ist die Blüte und die Frucht. Und in unseren Kindern leben wir fort. Ein Mann dagegen …« Sie hob den Kopf und sah mich voll zärtlichen Bedauerns an. »Ihr seid wie ein kahler Ast und wisst, dass ihr bei eurem Tod nichts Wichtiges zurücklassen werdet.«
Sie strich mir liebevoll über die Brust. »Ich glaube, dass ihr deshalb so viel Zorn in euch tragt. Vielleicht habt ihr gar nicht mehr als die Frauen, sondern nur kein Ventil dafür. Vielleicht will sich euer Zorn nur verzweifelt bemerkbar machen. Er schlägt um sich, treibt euch zu überstürztem Handeln, zu Streit und Wut. Ihr malt und baut und kämpft und erzählt Geschichten, die größer sind als die Wahrheit.«
Sie seufzte zufrieden, legte den Kopf wieder auf meine Schulter und drückte sich fest in meine Armbeuge. »Es tut mir leid, dir das alles zu sagen. Du bist ein guter Mensch und siehst gut aus. Aber du bist eben nur ein Mann. Alles, was du der Welt zu bieten hast, ist dein Zorn.«
Kapitel 128
Namen
D er Tag war gekommen, an dem ich entweder bleiben oder gehen würde. Ich
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