Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Handbewegung für
Belustigung.
»Unser Ruf wird in jedem Fall profitieren, und das nützt Ademre.«
Ich nickte.
Bereitwillige Zustimmung.
»Auch meinem Ruf wird es nicht schaden«, sagte ich.
Untertreibung.
Es entstand eine Pause. Dann machte Shehyn die Gebärde für
sehr wichtig.
»Du hast mich bei einer früheren Gelegenheit nach den Rhinta gefragt, erinnerst du dich?« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Vashet sich unruhig auf ihrem Stuhl bewegte.
Ich nickte und war plötzlich sehr aufgeregt.
»Mir ist eine Geschichte über sie eingefallen. Willst du sie hören?«
Ich bekundete mit meinen Händen
größtes Interesse.
»Die Geschichte ist schon alt, so alt wie Ademre, und man erzählt sie immer gleich. Bist du bereit, sie anzuhören?«
Sehr förmlich.
In Shehyns Stimme schwang ein offizieller Ton.
Ich nickte wieder.
Inständige Bitte.
»Es gibt Regeln, wie bei allen Dingen. Ich werde die Geschichte nur einmal erzählen. Anschließend darfst du nicht darüber sprechen und auch keine Fragen stellen.« Shehyn sah zwischen Vashet und mir hin und her.
Größter Ernst.
»Erst wenn du tausend Nächte geschlafen hast, darfst du darüber sprechen, und erst wenn du tausend Meilen gegangen bist, Fragen stellen. Bist du also trotzdem bereit, sie anzuhören?«
Ich nickte zum dritten Mal und wurde noch aufgeregter.
»Es lebte einst in einem großen Reich ein großes Volk«, begann Shehyn förmlich. »Die Menschen dieses Volkes waren keine Adem. Sie waren das, was Ademre war, als es uns noch nicht gab. Damals also lebten sie, und sie waren ein schönes und starkes Geschlecht. Sie besangen ihre Macht in Liedern und kämpften so gut, wie die Adem es tun.
Diese Menschen hatten ein großes Reich. Sein Name ist heute vergessen, doch er ist nicht wichtig, denn das Reich ist untergegangen und das Land seitdem zerbrochen und der Himmel ist ein anderer geworden.
In diesem Reich gab es sieben Städte und eine Stadt. Die Namen der sieben Städte sind vergessen. Sie sind dem Verrat anheimgefallen und wurden durch die Zeit zerstört. Auch die eine Stadt wurde zerstört, aber ihr Name blieb bestehen. Sie hieß Tariniel.
Das Reich hatte einen Feind, wie jede große Macht notwendig einen hat. Doch der Feind war nicht stark genug, es zu zerstören. Er mochte diesem Reich noch so sehr zusetzen, er konnte es nicht zu Fall bringen. Der Name des Feindes ist bekannt, aber er muss noch warten.
Da der Feind nicht durch seine Stärke siegen konnte, tat er es wie der Wurm, der durch die Frucht kriecht. Er handelte nicht in Übereinstimmung mit dem Lethani. Er stachelte sieben andere gegen das Reich auf, und sie vergaßen Lethani. Sechs von ihnen verrieten die Städte, die ihnen vertrauten. Sechs Städte fielen und ihre Namen sind vergessen.
Doch einer erinnerte sich an Lethani und verriet die Stadt nicht. Die Stadt fiel nicht. Einer erinnerte sich und dem Reich blieb Hoffnung. Eine Stadt war nicht gefallen. Doch selbst der Name dieser Stadt ist vergessen und in der Vergangenheit begraben.
Doch an sieben Namen erinnert man sich noch. An den Namen des einen und die Namen der sechs, die ihm folgten. Sieben Namen wurden bewahrt, während das Reich unterging, das Land zerbrach und der Himmel ein anderer wurde. An sieben Namen erinnerten die Adem sich auf ihrer langen Wanderschaft, sieben Namen, die Namen der sieben Verräter. Merke sie dir und erkenne sie an ihren sieben Zeichen:
Cyphus trägt die blaue Flamme.
Stercus ist im Bann des Eisens.
Ferule kalt und dunklen Auges.
Usnea lebt einzig in Verfall.
Dalcenti stumm und grau und ernst.
Die bleiche Alenta bringt die Plage.
Zuletzt kommt der Herr der sieben:
Verhasst. Hoffnungslos. Schlaflos. Glasklar.
Alaxel trägt das Joch des Schattens.
Kapitel 129
Zwischenspiel:
Allgegenwärtiges Gewisper
R eshi!«, schrie Bast mit entsetztem Blick. »Nein! Hör auf!« Er streckte die Hände aus, als wollte er dem Wirt den Mund zuhalten. »Das darf man doch nicht laut aussprechen!«
Kvothe lächelte ironisch. »Bast, wer hat dir denn überhaupt erst die Grundlagen der Namenskunde beigebracht?«
»Nicht du, Reshi«, erwiderte Bast und schüttelte den Kopf. »Manches weiß bei den Fae schon jedes Kind. Es ist nie gut, solche Dinge laut auszusprechen. Nie.«
»Und warum ist das so?«, fragte Kvothe in seinem besten Lehrer-Tonfall.
»Weil manche Wesen es spüren können, wenn ihr Name irgendwo ausgesprochen wird«, sagte Bast und schluckte. »Sie spüren sogar, wo das geschieht.«
Kvothe seufzte
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