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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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der seine Räume mit meinen verband, selbst aufgesucht.
    Ich sah auf die Uhr an der Wand. Es handelte sich nicht um eine Sympathieuhr, wie ich sie von der Universität kannte, sondern um eine Harmonieuhr mit einem schwingenden Pendel und allem Drumherum. Trotz der schön gearbeiteten Mechanik ging sie freilich nicht annähernd so genau. Die Zeiger standen auf Viertel vor fünf.
    »Geht diese Uhr vor, Stapes?«, fragte ich hoffnungsvoll. Eine Viertelstunde reichte kaum, meine Straßenkleider auszuziehen und ein für einen Besuch beim Maer angemessenes Gewand anzulegen. Angesichts der vielen Schichten Dreck und Schweiß, die mich bedeckten, wäre es auch in etwa so unsinnig gewesen, wie einen dampfenden Kuhfladen mit einem Seidenband zu umwickeln.
    Stapes blickte über meine Schulter und anschließend auf eine kleine mechanische Uhr, die er in seiner Tasche aufbewahrte. »Im Gegenteil, sie scheint etwa fünf Minuten nachzugehen.«
    Ich rieb mir das Gesicht und überlegte. Einerseits war ich von der Reise des Tages noch mitgenommen, aber das war nicht alles. Ich starrte vor Schmutz. Zuerst war ich lange in der sommerlichen Hitze marschiert, dann tagelang in einem stickig heißen Wagen eingesperrt gewesen. Der Maer urteilte nicht unbedingt nach dem Aussehen, legte aber Wert auf eine angemessene Erscheinung. Ich würde keinen guten Eindruck hinterlassen, wenn ich stinkend und schmutzig bei ihm auftauchte.
    Unwillkürlich erschien wieder der eiserne Käfig vor meinem geistigen Auge und ich beschloss, dass ich keinen schlechten Eindruckriskieren durfte, nicht bei den Neuigkeiten, die ich mitbrachte. »Ich werde noch mindestens eine Stunde brauchen, Stapes. Wenn es dem Maer recht ist, könnte ich ihn um die sechste Stunde aufsuchen.«
    Stapes’ Gesicht nahm einen empfindlichen Ausdruck an. Was er damit sagen wollte, war klar. Man verschob ein Gespräch mit dem Maer nicht. Wenn der Maer ruft, kommt man, so einfach ist das.
    »Stapes«, sagte ich, so freundlich ich konnte. »Seht mich an, riecht an mir. Ich bin in der vergangenen Spanne dreihundert Meilen gereist. Ich kann nicht voller Straßenstaub und stinkend wie ein Barbar im Garten spazieren gehen.«
    Stapes presste missbilligend die Lippen zusammen. »Dann sage ich ihm, Ihr seid anderweitig beschäftigt.«
    Weitere dampfende Eimer trafen ein. »Sagt ihm die Wahrheit, Stapes.« Ich begann mein Hemd aufzuknöpfen. »Er versteht mich bestimmt.«
     
    Ich wusch mich gründlich und kleidete mich sorgfältig an, dann schickte ich dem Maer meinen goldenen Ring und eine Karte, auf der stand: »Stehe zu einem Gespräch unter vier Augen zur Verfügung, sobald Ihr könnt.«
    Keine Stunde später kehrte ein Bote mit einer Karte des Maer zurück. »Warte, bis ich dich rufe.«
    Also wartete ich. Ich schickte einen Diener nach Essen, dann wartete ich auch noch den Rest des Abends. Auch der folgende Tag verging ohne Nachricht. Und weil ich nicht wusste, wann Alveron mich rufen lassen würde, war ich praktisch wieder in meinem Quartier eingesperrt und ausschließlich damit beschäftigt, auf seinen Ring zu warten.
    Es war zwar angenehm, ein wenig Schlaf nachholen und ein zweites Bad nehmen zu können. Doch machte ich mir Sorgen, die Nachricht aus Levinshir könnte mich einholen. Dass ich mich nicht in die Unterstadt begeben und nach Denna suchen konnte, machte mir außerdem erheblich zu schaffen.
    Man kennt diese Art des stummen Tadels in höfischen Kreisen zu Genüge. Die Botschaft des Maer war klar:
Wenn ich dich rufe, kommst du. Entweder zu meinen Bedingungen oder überhaupt nicht.
    Es war kindisch auf eine Art, wie nur Adlige kindisch sein können. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Also schickte ich Bredon meinen silbernen Ring. Er kam noch rechtzeitig zum Abendessen und brachte mich über den Klatsch bei Hof auf das Laufende. Dieser Klatsch kann furchtbar geistlos sein, aber Bredon wählte nur die Höhepunkte für mich aus.
    Die meisten Geschichten hatten das stürmische Werben und die anschließende Hochzeit des Maer mit der Erbin der Lackless zum Inhalt. Offenbar war das Paar bis über beide Ohren verliebt. Sogar ein Kind sei schon unterwegs, munkelte man. Über den Königshof in Renere gab es ebenfalls viel zu berichten. Prinzregent Alaitis war in einem Duell getötet worden. Verschiedene Adlige versuchten, den Tod eines so hochrangigen Mitglieds des Hofes auszunützen, und entsprechend herrschten in weiten Teilen des südlichen Farrel chaotische Verhältnisse.
    Es kursierten

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