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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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an mich drückte.
    »Ich habe noch nie eine Frau geküsst, die so groß ist wie ich«, murmelte ich während einer Verschnaufpause. »Es fühlt sich anders an.«
    »Du kannst dich mit allen Problemen an mich als deine Lehrerin wenden«, sagte sie. »Hier deine nächste Lektion: im Liegen sind alle Frauen gleich groß. Dasselbe gilt natürlich nicht für Männer. Zu vieles hängt von ihrer Stimmung ab und davon, was die Natur ihnen mitgegeben hat.«
    Sie nahm meine Hand und zog mich auf das weiche Moos hinunter. »So«, sagte sie, »jetzt bist du größer als ich. Zufrieden?«
    Oh ja.
     
    Ich hatte erwartet, dass unser Verhältnis nach unserer Rückkehr aus den Büschen angespannt sein würde, doch nichts dergleichen war der Fall. Vashet flirtete nicht plötzlich mit mir, und ich hätte auch gar nicht gewusst, wie ich darauf reagieren sollte. Genauso wenig fühlte sie sich verpflichtet, mich mit besonderer Nachsicht zu behandeln. Das merkte ich, als sie mich zum fünften Mal in einem Moment der Unachtsamkeit unsanft packte und zu Boden warf.
    Insgesamt verhielt sie sich, als sei nichts Ungewöhnliches passiert. Was bedeuten konnte, dass entweder tatsächlich nichts Ungewöhnliches passiert war oder aber etwas sehr Ungewöhnliches, das sie jedoch geflissentlich ignorierte.
    Was bedeutete, dass alles zum Besten stand oder aber eine Katastrophe drohte.
    Später, als ich allein zu Abend aß, überlegte ich, was ich über die Adem alles wusste. Nacktheit war für sie kein Tabu, körperlicher Kontakt nichts besonders Intimes. Vashet war sowohl vor wie während und nach unserem Zusammensein völlig unbefangen gewesen.
    Ich dachte an das nackte Pärchen, dem ich einige Tage zuvor zufällig begegnet war. Die beiden hatten sich erschreckt, waren aber nicht verlegen gewesen.
    Die geschlechtliche Liebe besaß hier offenbar einen anderen Stellenwert. Genauere Unterschiede kannte ich allerdings nicht. Anders ausgedrückt, ich hatte keine Ahnung, wie ich mich richtig verhalten sollte. Was wiederum bedeutete, dass ich etwas sehr Gefährliches tat: Ich ging, oder besser gesagt rannte gleichsam mit verbundenen Augen durch die Gegend.
    Wenn ich sonst Fragen zu den Adem hatte, stellte ich sie Vashet. Sie war mein Prüfstein. Doch durfte ich sie auf keinen Fall durch falsche Fragen kränken. Nur ihr guter Wille stand zwischen mir und dem Verlust meiner Finger.
    Als ich mit dem Essen fertig war, hatte ich beschlossen, mich einfach Vashets Führung zu überlassen. Schließlich war sie meine Lehrerin.

Kapitel 117

Die Verschlagenheit des Barbaren
     
    D ie Tage vergingen schnell wie immer, wenn sie gut angefüllt sind. Ich hatte weiter Unterricht bei Vashet und tat alles, um ein gelehriger, aufmerksamer Schüler zu sein.
    Auch unsere amourösen Abenteuer gingen in regelmäßigen Abständen weiter. Ich ergriff nie selbst die Initiative, aber Vashet spürte, wenn ich wieder einmal über Gebühr abgelenkt war, und zog mich dann rasch in die Büsche. »Damit du wieder klar denken kannst, du armer Barbar«, pflegte sie zu sagen.
    Davor und danach war mir stets etwas beklommen zumute, doch während einer solchen Begegnung war ich keineswegs ängstlich. Auch Vashet schien daran Gefallen zu finden.
    Davon abgesehen schien sie herzlich wenig an dem interessiert, was ich von Felurian gelernt hatte. Vom Efeuspiel wollte sie nichts wissen. Die Tausend Hände gefielen ihr zwar, doch hatte sie nicht die Geduld dazu, so dass wir gewöhnlich nicht über fünfundsiebzig Hände hinauskamen. Danach zog Vashet sich meist sofort wieder an, kaum dass wir zu Atem gekommen waren, und erinnerte mich daran, dass ich, wenn ich ständig vergaß, die Ferse nach außen zu drehen, nie fester zuschlagen konnte als ein Sechsjähriger.
     
    Doch war ich nicht die ganze Zeit mit Vashet zusammen. Wenn sie zu tun hatte, musste ich den Ketan üben, über Lethani nachdenken oder den anderen Schülern bei ihren Übungskämpfen zusehen.
    An einigen wenigen Nachmittagen schickte sie mich auch zu selbständigen Erkundungen los. Ich ging dann durch das Dorf und stellte fest, dass Haert viel größer war, als ich anfangs geglaubt hatte.Der Unterschied war, dass Häuser und Läden sich nicht an einer Stelle zusammendrängten, sondern über mehrere Quadratmeilen steiniger Landschaft verstreut lagen.
    Die Bäder entdeckte ich schon früh. Anders ausgedrückt, Vashet hatte mich hingeschickt, um meinen barbarisch stinkenden Körper zu waschen.
    Sie waren ein Wunder. Über einer

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