Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
reagieren konnte, kam Celean blitzschnell auf mich zu und schlug mit der Faust nach meiner Leistengegend. Ich duckte mich instinktiv und sie traf mich stattdessen in den Bauch.
Zum Glück hatte ich inzwischen gelernt, einen solchen Faustschlag entgegenzunehmen, und meine Bauchdecke bestand nach einmonatigem Üben nur noch aus Muskeln. Trotzdem war mir, als hätte jemand einen Stein auf mich geworfen. Bis zum Abendessen würde sich dort ein großer Bluterguss zeigen.
Ich zog die Beine an und trat mit dem Fuß nach ihr, nur um zu sehen, wie schreckhaft sie war. Vielleicht wich sie ja vor mir zurück und ich konnte mich wieder fangen und dann Gebrauch von der längeren Reichweite meiner Arme machen.
Wie sich herausstellte, war Celean überhaupt nicht schreckhaft und wich keinen Handbreit zurück. Stattdessen sprang sie gewandt neben mein Bein und schlug mich mitten auf den dicken Muskel direkt über dem Knie.
Ich geriet ins Taumeln, sobald mein Fuß den Boden wieder berührte, und verlor das Gleichgewicht. Celean stand so dicht vor mir, dass sie auf mich hätte hinaufklettern können, wenn sie gewollt hätte. Sie legte die Hände aneinander, stemmte die Füße in den Boden und schlug mich mit einem Weizendrescher. Ich fiel unter der Wucht des Schlages auf den Rücken.
Das weiche Gras milderte meinen Aufprall. Ich rollte über den Boden von Celean weg und sprang auf. Celean rannte mir nach und vollführte einen Schleuderblitz. Sie war schnell, aber ich hatte die längeren Beine und konnte ihr ausweichen oder ihre Schläge abwehren. Sie täuschte einen Tritt vor und ich fiel darauf herein, was ihr die Gelegenheit verschaffte, mich noch einmal auf dieselbe Stelle über dem Knie zu schlagen.
Es tat weh, aber diesmal geriet ich nicht ins Stolpern, sondern wich rasch mit einem Schritt zur Seite aus. Celean folgte mir unerbittlich, in ihrem Übereifer gab sie sich allerdings eine Blöße.
Doch trotz meines Sturzes und der Prellungen, die sie mir zugefügt hatte, konnte ich mich nicht überwinden, ein so kleines Mädchen zu schlagen. Bei Tempi oder Vashet hätte ich keine Bedenken gehabt, aber Celean wirkte so zerbrechlich, dass ich Angst hatte, sie zu verletzen. Hatte Vashet nicht gesagt, wir seien für die Sicherheit des anderen verantwortlich?
Also packte ich sie stattdessen mit einem Steigeisen. Mit der linken Hand griff ich daneben, aber mit den langen, starken Fingern meiner rechten Hand bekam ich sie an ihrem schmalen Handgelenk zu fassen. Ich hatte sie noch nicht so, dass sie aufgeben musste, aber es ging jetzt nur noch darum, wer stärker war, deshalb musste ich notwendigerweise gewinnen. Am Handgelenk hielt ich sie schon, jetzt brauchte ich sie nur noch an der Schulter zu packen, dann hielt ich sie mit dem Schlafenden Bären und …
Celean vollführte einen Löwenbrecher, allerdings nicht die mir bekannte Version. Sie verwendete dazu beide Hände und schlug damit so rasch zu und drehte sie, dass meine Hand brannte und leer war, bevor ich wusste, wie mir geschah. Anschließend packte sie mich am Handgelenk, zog daran und versetzte mir zugleich in einer fließenden Bewegung einen Tritt gegen das Bein. Ich schwankteund knickte ein, und im nächsten Augenblick lag ich flach auf dem Boden.
Diesmal landete ich nicht weich, sondern mit einem unsanften Plumps. Ich war nicht völlig betäubt, aber das half mir auch nicht mehr, denn Celean streckte einfach die Hand aus und klopfte mir zweimal an den Kopf zum Zeichen dafür, dass sie mich, wenn sie gewollt hätte, ganz leicht hätte bewusstlos schlagen können.
Ich rollte auf die Seite und setzte mich auf. Meine Glieder taten mir weh und ich fühlte mich auch in meinem Stolz verletzt, allerdings nur leicht. In der mit Tempi und Vashet verbrachten Zeit hatte ich gelernt, Können zu bewundern, und Celean beherrschte den Ketan wirklich ausgezeichnet.
»Ich kenne diese Ausführung des Löwenbrechers gar nicht«, sagte ich.
Celean grinste, nur ganz leicht, aber doch so, dass ich ihre weißen Zähne sehen konnte. In einer Welt regloser Mienen war mir, als gehe die Sonne hinter einer Wolke auf. »Die habe ich selbst erfunden«, sagte sie und machte die Handbewegung für
sehr stolz.
»Für einen normalen Löwenbrecher gegen meine Mutter oder jemanden, der so groß ist wie du, reicht meine Kraft nicht.«
»Zeigst du ihn mir?«, fragte ich.
Celean zögerte, nickte dann, trat auf mich zu und streckte die Hand aus. »Halt mich am Handgelenk fest.«
Ich nahm ihr Handgelenk
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