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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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natürlichen heißen Quelle oder einem raffinierten System von Rohrleitungen hatte man ein ausgedehntes steinernes Gebäude errichtet. Einige große Räume waren mit Wasser gefüllt, einige kleinere mit Dampf. Es gab Räume mit tiefen Becken, in denen man ganz untertauchen konnte, und Räume mit großen Wannen aus Messing, in denen man sich wusch. In einem Raum befand sich sogar ein großes Becken zum Schwimmen.
    In den Bädern verkehrten Adem verschiedensten Alters und beiderlei Geschlechts in verschiedenen Stadien der Nacktheit. Das überraschte mich zwar weniger, als es noch vor einem Monat der Fall gewesen wäre, trotzdem musste ich mich erst mit einiger Mühe daran gewöhnen.
    Anfangs musste ich mich zusammenreißen, dass ich nicht ständig die Brüste der nackten Frauen anstarrte. Nachdem dieser Reiz etwas abgeklungen war, erging es mir ähnlich mit den Narben auf den Körpern der Söldner. Man konnte einen Söldner leicht an ihnen erkennen, auch wenn er seine roten Kleider ausgezogen hatte.
    Statt ständig aufpassen zu müssen, dass ich niemanden ungebührlich anstarrte, ging ich lieber frühmorgens oder spätabends baden, wenn es leer war. Man konnte die Bäder zu jeder Tages- und Nachtzeit nutzen. Die Tür besaß kein Schloss und sie hatten durchgehend geöffnet. Seife, Kerzen und Handtücher lagen dort immer bereit. Unterhalten wurden die Bäder laut Vashet von der Schule.
    Die Schmiede fand ich, indem ich den Hammerschlägen folgte. Der Mann, der dort arbeitete, plauderte bereitwillig mit mir, zeigte mir seine Werkzeuge und sagte mir, wie sie auf Ademisch hießen.
    Mit der Zeit wurde ich auch auf die geschnitzten oder bemalten Holzschilder über den Ladentüren aufmerksam. Sie zeigten, was drinnen verkauft wurde: Brot, Kräuter, Fassdauben … Auf keinemSchild standen Worte, was mir nur recht sein konnte, da ich keine Ahnung hatte, wie ich Ademisch lesen sollte.
    Ich besuchte auch eine Apotheke, in der ich allerdings nicht willkommen war, und einen Schneider, der mich dafür um so herzlicher empfing. Von einem Teil des Geldes, das ich aus der Kassette des Maer entwendet hatte, kaufte ich zwei neue Kleidergarnituren, da meine alten Kleider bereits ziemlich abgenutzt waren. Ich kaufte Hemden und Hosen in gedeckten Farben, wie sie in Haert üblich waren, und hoffte, damit unter den Adem weniger aufzufallen.
    Außerdem betrachtete ich stundenlang den Schwertbaum. Anfangs tat ich es noch unter Vashets Anleitung, doch schon bald suchte ich ihn allein auf, wenn ich eine freie Stunde hatte. Seine hypnotisierenden Bewegungen beruhigten und trösteten mich. Zuweilen schienen die Äste sich wie Schreibgriffel zu bewegen und den Namen des Windes in die Luft zu schreiben.
     
    Vashet suchte mir eine Übungspartnerin, wie sie es versprochen hatte.
    »Sie heißt Celean«, sagte sie beim Frühstück. »Ihr werdet euch heute Mittag am Schwertbaum kennenlernen. Nutze den Vormittag, um dich so darauf vorzubereiten, wie du es für angemessen hältst.«
    Endlich bekam ich die Chance, mich zu beweisen, die Chance, mich in einem wirklichen Wettkampf mit einem Gegner zu messen, der ungefähr so gut war wie ich.
    Ich war natürlich schon ein wenig vor der Zeit am Schwertbaum. Als ich die beiden anderen kommen sah, hielt ich die kleine Gestalt an Vashets Seite in einem Moment der Panik für Penthe, die Frau, die Shehyn besiegt hatte.
    Dann erkannte ich meinen Irrtum. Die Gestalt neben Vashet war zwar auch klein, hatte aber, wie der Wind, der ihr die Kleider an den Leib drückte, zeigte, einen geraden, mageren Körper ohne die Kurven Penthes. Außerdem trug sie statt des Söldnerrots eine leuchtend maisgelbe Bluse.
    Ich spürte einen Stich der Enttäuschung, obwohl ich wusste, dass ich dazu keinen Grund hatte. Vashet hatte gesagt, sie habe einegleichwertige Partnerin für mich gefunden, und das konnte natürlich niemand sein, der das Rot des Söldners trug.
    Die beiden kamen näher und meine Vorfreude fiel gänzlich in sich zusammen.
    Neben Vashet ging ein kleines Mädchen, das noch nicht einmal vierzehn war, sondern das ich auf höchstens zehn schätzte. Es war spindeldürr und so klein, dass es mir kaum bis zum Brustbein reichte. Aus einem mageren Gesicht sahen mich zwei große, graue Augen an.
    Ich hätte heulen mögen vor Demütigung und tat es nur deshalb nicht, weil Vashet es, wie ich wusste, schrecklich unhöflich gefunden hätte.
    »Celean, das ist Kvothe«, stellte Vashet mich auf Ademisch vor.
    Das kleine Mädchen maß

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