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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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hilflos war. Die Zeit stand für mich still, und ich konnte doch nichts tun, nicht einmal schreien, als die Amazone neben Mädchen war und ihr Säbel vom höchsten Punkt hernieder fiel. Ich sah, wie Mädchen zur Seite geschleudert wurde und die Amazone im Nebel verschwand, gefolgt von ihrer Gefährtin. Ein Klirren noch, ein unterdrückter Fluch, das schnell leiser werdende Schlagen der Hufe ... Stille. – Ich flog zu Mädchen hinüber, aber Viburn war schon bei ihr. Meine Blicke huschten über ihr Gesicht, ihren Körper – ich sah kein Blut! Nein, kein Blut, aber ich sah sie atmen und die Arme bewegen. Sie lebte, beim großen, tausendjährigen Wald, sie lebte!
    Kopfschüttelnd ließ sie sich von Viburn auf die Beine helfen.
    »Sie hat mich verfehlt.«
    »Sie kann dich gar nicht verfehlt haben«, hörte ich mich sagen. »... ein so großes, stehendes Ziel ... aus dieser Nähe ... eine ausgebildete Kriegerin ...«
    »Was plapperst du da, Arve?« schimpfte Larix. »Mädchen muß doch am besten wissen, ob sie getroffen wurde oder nicht.«
    »Nein, sie hat mich nicht getroffen. Ihr Pferd hat mich umgeworfen, aber sonst bin ich unverletzt. Sie hat ...«
    Mädchen verstummte. Ihre Augen blickten plötzlich ins Leere, ihre Hände fuhren nervös über den Umhang.
    »Was ist?« fragte Viburn. »Sag es uns!«
    Mädchen machte ein paar unsichere Schritte nach vorn.
    »Nichts ... Es ist nichts. Laß uns weitergehen, schnell!«
     
     
     

 
     
    Kurz darauf traf dann die Meldung aus Beilunk ein, die Ulissas schlimmste Befürchtungen bestätigte: Die fünf Kundschafter hatten sich mit Yppolita verbündet und waren auf dem Weg nach Kurkum, um den Amazonenthron wieder in Besitz zu nehmen: Zwei Havener waren durch einen unterirdischen Gang in den Kerker von Beilunk eingedrungen, um ihre gefangenen Gefährten zu befreien. Die Befreier, die bei ihrer Tat drei Amazonen getötet hatten, waren in Begleitung gekommen. Diese dritte Person, eine Frau, hatten sie zur Tarnung bei dem lächerlichen Namen Mädchen gerufen, aber ein Kerkerknecht, den die Havener in ihrer Einfalt am Leben ließen, hatte die blonde Frau sehr gut beschreiben können, so gut, daß Ulissa darin ohne Mühe ihre Schwester erkannte.
    Nun sandte Ulissa den Thronräubern alle verfügbaren Kriegerinnen entgegen, und tatsächlich, diese verzweifelte Maßnahme war endlich von Erfolg gekrönt: Die Kriegerin Bila erkannte die verbannte Königin im Nebelhain. Sie versuchte, sie zu töten, aber Yppolita konnte sich noch einmal retten. Zusammen mit ihren Kumpanen floh sie vor den von Bila gewarnten Kriegerinnen zu dem kleinen Volk, das wir die Feilscher nennen. Mimmel, der Häuptling der Feilscher, schickte Ulissa einen Boten. Königin Ulissa wurde mit den kleinen Abgesandten schnell handelseinig: Mimmel ist von Ulissa in Gold aufzuwiegen (wobei er noch seinen Lieblingshund mit auf die Waage nehmen darf), dafür liefert er Yppolita und drei ihrer Gefährten an die Amazonenkönigin aus. Zwei Havener darf er für sich selbst behalten, zu seiner Zerstreuung oder um sie in die Sklaverei zu verkaufen und sich so eine kleine Belohnung zu verdienen.
    Als Ort der Übergabe entschied man sich für die gespaltene Eiche, als Zeitpunkt wurde die Mittagsstunde des nächstfolgenden Tages gewählt.
    Endlich konnte sich Ulissa wieder sicher fühlen.
     
    »Sie hat recht!« rief Larix, »laß uns weitergehen. In ein paar Minuten wird es hier von diesen streitbaren Frauen wimmeln. Bis dahin müssen wir verschwunden sein.« Aus seinen Haaren lief ein dünner Blutsfaden über die Stirn. Er wischte mit dem Handrücken darüber. »Das ist nichts«, versicherte er, als er unsere besorgten Blicke bemerkte, »das tölpelhafte Weib hat nur meinen Scheitel nachgezogen. Wenn sie einen Zwergenschädel spalten will, muß sie noch viel für ihre Muskelkraft tun.«
    Wir marschierten tiefer in das Tal hinein. Der Boden stieg nun steiler an, war über weite Strecken mit moosbewachsenem Geröll bedeckt. Je höher wir kamen, desto lichter wurde der Dunst rings um uns her. Bald konnten wir unsere Umgebung wieder recht gut erkennen: Wir waren in eine enge, felsige Schlucht geraten, die vor Urzeiten von einem Fluß in des Gebirge geschnitten worden war. Zu beiden Seiten ragten senkrechte Felswände auf, unter unseren Füßen kollerte der grobe Kies, der einst am Boden des Flußbettes gelegen hatte. Der Anstieg fiel uns mit jedem Schritt schwerer, es war ein mühseliger Weg um Felsklippen herum, hinweg über loses

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