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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Schritten eine Treppe, die steil hinab ins Dunkle führte. Wir teilten uns auf, um die rätselhaften Gangmündungen schneller untersuchen zu können. Da Junivera während des ganzen Tages uns immer nur stumm und teilnahmslos beobachtet hatte, verzichteten wir auf ihre Mithilfe. Ihr war nicht anzusehen, ob sie überhaupt verstanden hätte, was wir von ihr verlangten. So mußte also jeder von uns mehr als sechs Öffnungen erkunden. Anschließend trafen wir bei dem kleinen Teich wieder zusammen. Das Ergebnis war entmutigend: Natürlich waren sich die Gänge nicht völlig gleich. Jeder wies kleine Besonderheiten auf, die durch die Art des Gesteins und der Bearbeitung entstanden waren, aber nirgendwo gab es das kleinste Zeichen, irgendeinen Hinweis, wohin der Gang führen, was uns an seinem Ende erwarten mochte. Hinter jeder Öffnung konnte sich das Versteck der Feilscher verbergen, jeder Eingang konnte zu einer tödlichen Falle führen.
    »Wir nehmen den siebten«, schlug Larix vor. »Sieben ist eine gute Zahl.«
    »Von links oder von rechts?« fragte Viburn.
    »Stimmen wir ab«, sagte ich.
    Elgor, Viburn und ich waren für den siebten Gang von rechts, Larix und Mädchen für links, Junivera, von den beiden bedrängt, stimmte wie Mädchen.
    »So kommen wir nicht weiter«, stellte Viburn fest. »Ich habe einen ganz anderen Vorschlag. Ihr wißt, daß mir diese Feilscher sowieso nicht ganz geheuer sind – auch wenn sie mein Leben gerettet haben mögen. Wir müssen keinen von diesen Gängen betreten. Vielleicht handeln wir uns nur eine Menge Ärger ein, wenn wir zu den Feilschern vordringen. Mag sein, sie schätzen keine fremden Besucher. Wie wär's also, wenn wir einfach hier abwarteten, bis sich draußen die Aufregung ein wenig gelegt hat, um dann wieder ans Tageslicht zurückzukehren?«
    »Ich rechne nicht damit, daß die Amazonen ihre Suche bald aufgeben werden«, widersprach Elgor. »Sie hätten uns fast erwischt und wissen nun genau, wo sie nach uns suchen müssen. Nein, die Kriegerinnen werden jeden Stein einzeln umdrehen in den Tälern dort oben. Andererseits sind diese Feilscher – wie du sie nennst – völlig harmlos. Das versichere ich dir. Und selbst wenn sie sich über unseren Besuch empören würden – was können sie schon gegen uns unternehmen? Sie sind nicht gefährlicher als kleine Kinder. Ich allein würde mit zwanzig ihrer Sorte fertig werden.«
    »Wenn du dich nur nicht irrst ...«, entgegnete Viburn.
    Larix schlug sich auf Elgors Seite: »Ich stelle mir vor, da unten liegt irgendwo eine große Höhle, in der die kleinen Burschen hausen. Diese Höhle ist gewiß nicht nur durch das Schlupfloch hinter dem Wasserfall zu erreichen, vermutlich besitzt sie mehrere Eingänge. Wenn wir sie durch einen dieser Eingänge wieder verlassen, haben wir alle Verfolger abgehängt. Dann können die Amazonen da oben in den Felstälern herumstöbern, bis ihnen Bärte gewachsen sind.«
    Larix hatte klug gesprochen, außerdem konnte ich mir wie Elgor nicht vorstellen, daß uns die Kleinen irgendwie gefährlich werden könnten. Nach Larix' Worten war eine nachdenkliche Pause eingetreten; gerade wollte ich sie unterbrechen, als wir ein leises Geräusch hörten: Fußtritte auf einer Treppe.
    Sie kamen aus einer der zahlreichen Gangöffnungen. Wir schauten uns hastig nach Verstecken um. Aber da wären nur die anderen Gangmündungen in Frage gekommen, und um sie zu erreichen, hätten wir die halbe Höhle durchqueren müssen. Noch ehe wir einen Entschluß fassen konnten, fiel bereits Licht aus einer Öffnung, und Augenblicke später traten zwei kleine Fackelträger in die unterirdische Halle hinaus.
    Als sie uns entdeckten, verharrten sie kurz, dann huschten sie in den Gang zurück. Dort blieben sie wiederum stehen, anscheinend um eine kurze Beratung abzuhalten. Schließlich kamen sie wieder aus dem Loch heraus und gingen Seite an Seite auf uns zu. Einer von ihnen war Nipper, er strahlte uns an.
    »Siehst du, Viburn«, sagte ich, »es sind freundliche Burschen. Der linke hat dich kuriert.«
    »Wieso freundlich?« versetzte Viburn. »Ich sehe nur, daß sie feixen wie ein Premer Speckfladen. Für mich ist das kein Beweis für Freundlichkeit.«
    Die beiden ungleichen Gruppen standen sich immer noch gegenüber. Die Kleinen lächelten uns an und wechselten hin und wieder ein paar Worte in ihrer Sprache. Wir lächelten zurück, und ich setzte mein Zwiegespräch mit Viburn fort: »Sie mögen uns, sonst wären sie vor uns davongelaufen

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