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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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gedankenverloren auf meinen Arm. »Mir scheint, du hast irgendwann einmal deinen Wegzoll nicht entrichtet, hm?«
    Ich rollte den Ärmel wieder herab. »Nein, als mein Vater und ich dem Rudel begegnet sind, hatten wir nichts dabei, das wir den Wölfen hätten geben können. Mein Vater hat mich auf einen Baum gesetzt – ich habe noch versucht, ihn hochzuziehen ...«
    Der Krieger legte mir die Rechte auf die Schulter. »Entschuldige«, sagte er ernst. »Ich wollte nicht neugierig sein. Ich schätze, beim nächsten Mal werde ich sofort auf dich hören, wenn du uns einen Rat über Waldwölfe gibst.«
     
     
     

 
     
    An den Staatsdingen jedoch fand Yppolita keinen Geschmack, denn in ihrem jugendlichen Feuer dachte sie, daß es auf der Welt nichts gäbe, was ein starkes Schwert nicht zu erringen vermöchte. Sollte es Dinge geben, die einem zufielen, ohne daß man darum kämpfen mußte, so konnten solche Dinge keinen Wert besitzen.
    Ulissa aber, die jüngere Schwester, begeisterte sich sehr für die Staatskunst. Sie ließ sich von Yppolita wortgetreu alle Aufgaben wiedergeben und bewunderte die Männer und Frauen, von denen die Schwester berichtete, Menschen, die große Reiche errichtet hatten, ohne gewaltige Schlachten, aber mit List, Intrigen und Skrupellosigkeit ...
     
    Nicht weit von uns erhob sich ein kleiner, mit knorrigen Eichen bewachsener Hügel aus dem Wald. Diese Kuppe hatten wir uns zum Lagerplatz für die Nacht auserkoren. Elgor, Larix und Junivera strebten mit zügigen Schritten dem Hügel entgegen, sie schienen die schweren Ranzen und Decken, die jeder von uns auf dem Rücken trug, gar nicht zu bemerken. Gemeinsam mit Viburn folgte ich ihnen. Seit die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, spürten wir die Kälte noch deutlicher. Ich freute mich auf ein warmes Lagerfeuer.
    Viburn hielt mich plötzlich an der Schulter fest und zeigte auf Juniveras Beine. Die Priesterin ging unmittelbar vor uns, und ich hatte unwillkürlich schon seit längerer Zeit das Spiel ihrer Wadenmuskeln betrachtet. Ich sah genauer hin und wußte mit einem Mal, was Viburn so verwirrte: Juniveras notdürftiger Verband war – ohne daß sie es bemerkt hatte – auf den Knöchel gerutscht. Ihre blasse, aber wohlgerundete Wade war völlig unversehrt. Keine Schramme, kein Kratzer, kein Blut, keine Narbe – nicht die Spur eines Bisses.
    Überrascht blieb ich stehen. Viburn zog mich weiter. »Was, da staunst du? Aber das ist ein gutes Zeichen, Arve. Rondra ist mit uns!«
    »Meinst du wirklich, die Göttin selbst hat ihr geholfen?«
    »Du hast doch gehört, wie sie um ein Wunder betete. Rondra muß ihr Gebet erhört haben – eine andere Erklärung gibt es nicht.«
    »Das kann man nicht sagen«, wandte ich ein. »Ich habe selbst schon wundersame Heilungen erlebt – bei Leuten, die kaum die Namen der Zwölfe kannten. Vielleicht versteht sich Junivera ja ein wenig auf die Magie oder auf die Künste der Elfen ...«
    Viburn schüttelte heftig den Kopf. »Nicht unsere wackere Junivera. Ich bin schon so manchem Geweihten begegnet, aber keinem, der so ernst und streng in seinem Glauben gewesen wäre. Nein, ich möchte wetten, daß Junivera alle Zauberkunst mit äußerster Vorsicht betrachtet, denn es ist ja bekannt, daß auch die göttliche Löwin die Zauberei wenig schätzt. Alter Freund – so seltsam das gerade aus meinem Munde klingen mag – ich bin mir recht sicher, daß wir soeben Zeugen eines echten Rondrawunders gewesen sind.«
    Ich sah Viburn aufmerksam von der Seite an. Da war keine Spur des gewohnten spöttischen Grinsens in seinem Gesicht zu erkennen. »Was wäre wohl geschehen«, fragte ich schließlich, »wenn Rondra kein Wunder getan hätte?«
    »Ich weiß es nicht. Ich fürchte, wir hätten Junivera den ganzen Weg nach Rommilys zurücktragen müssen. Vielleicht wäre sie am Wundfieber gestorben, vielleicht wäre ihr Bein für immer steif geblieben ... Du, Arve, sie scheint ihrer Göttin sehr nahe zu sein. Vielleicht werden wir uns irgendwann darüber freuen, Junivera bei uns zu haben.«
     
    Wir hatten den Rastplatz erreicht. Während die anderen Feuerholz sammelten, lieh ich mir Elgors Bogen, um für ein Abendessen zu sorgen. Aber ich hatte kein Jagdglück. Es gab kaum Wild, und wenn ich einmal ein Karnickel entdeckte, dann hatte ich solche Mühe, den unhandlichen Bogen zu spannen, daß die schmackhafte Beute in aller Seelenruhe davonhoppeln konnte. Schließlich kehrte ich mit einem Armvoll Reiterhüten, einer späten

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