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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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sagen, wir sollten einen Bogen um Beilunk schlagen?« fragte ich.
    »Das habe ich nicht gemeint, Arve. Ich wollte euch nur auf die Gefahr hinweisen, in der ihr schwebt.«
    »Ach so«, versetzte Viburn grinsend. »Habt Dank, Elgor von Bethana, habt Dank! Das wäre uns nicht eingefallen!«
    Elgor öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber statt dessen zerbrach er einen grünen Zweig und warf ihn ins Feuer. Zischend rollten sich die Blätter zusammen, bevor sie verbrannten.
    »Möglicherweise werden wir in Beilunk bereits erwartet ...«, sagte Larix.
    »Falls uns jemand dort erwartet, dann hält er Ausschau nach drei Männern, einer Frau und einem Zwerg«, entgegnete Viburn. »Wenn einer von uns allein in die Stadt ginge, dann könnte er dort sicher etwas erfahren. Vielleicht hört er, was mit Yppolita geschehen ist, und wir können uns den langen Weg nach Kurkum sparen.«
    Junivera richtete sich empört auf. »Hast du unseren Auftrag vergessen, Streuner? Der Fürst erwartet, daß wir ihn getreu erfüllen. In Kurkum selbst« – sie hob die Stimme – »in der Heimstatt der Amazonen, sollen wir nach Yppolitas Schicksal forschen. Bei Rondra, ich werde nicht zulassen, daß unsere Gruppe Fürst Bennain hintergeht!«
    Viburn legte ihr beschwichtigend eine Hand aufs Knie. »Ist ja schon gut, Geweihte der Göttin, ich habe doch nur laut gedacht.«
    »Solche Gedanken sollte man weder laut noch leise hegen, aber das wirst du nie verstehen!« Sie streifte Viburns Hand ab.
    Er lachte. »Wie schön, wenn man nicht nur immerzu weiß, was man tun, sondern auch, was man denken muß.«
    Das Feuer war inzwischen fast niedergebrannt. Unzählige Sterne funkelten durch die Zweige über uns, dazwischen tanzten die roten Funken, die der nie erlahmende Wind aus unserem Feuer riß. Langsam stieg die silberne Mondscheibe am Himmel auf. Von irgendwoher schallten klagende, fast menschliche Rufe durch die Nacht. »Bis Beilunk haben wir einen langen Weg vor uns«, sagte ich. »Uns bleibt noch genügend Zeit, einen Plan zu entwickeln.«
    »Genau«, stimmte mir Larix zu. »Und jetzt sollten wir schlafen. Das heißt, ihr solltet schlafen. Ich übernehme freiwillig sämtliche Wachen.« Er sprang auf, um noch einmal seine Falle zu überprüfen. Zwerge sind zähe Kerle. Ich traute ihm ohne weiteres zu, daß er die ganze Nacht hindurch wach bleiben würde. Nur mit seiner wunderschönen Falle würde er eine Enttäuschung erleben, und das tat mir leid. Immerhin sollte er seinen Willen haben. Es war schön, wieder einmal eine Nacht durchschlafen zu können. Ich wickelte mich fest in meine Decken ein und streckte die Beine aus.
     
    Kaum zwei Herzschläge später – so schien es mir – wurde ich durch einen Höllenlärm geweckt.
    »Ich hab' ihn, ich hab' ihn!« brüllte es durch die Nacht. »Elgor zu mir! Faß mit an! Hiev ho, hiev ho! Zieh doch! Zieh doch! Wir haben ihn! Wir haben ihn!«
    Ich befreite mich aus den Decken und sprang auf. Silberhelles Mondlicht lag auf unserem Lagerplatz und beleuchtete eine gespenstische Szene: Elgor und Larix waren auf den Beinen und zerrten wie die Treidelknechte an dem Strick, den Larix ausgelegt hatte. Am Eichenast aber, direkt über dem Haufen aus Ranzen und Säcken, baumelte eine Gestalt. Der bleiche Körper pendelte kopfunter am Seil und zuckte stumm wie ein riesiger, schlanker Fisch. Elgor und der Zwerg rissen Hand über Hand wie wild am Strang. Der mondblasse Leib stieg schnell höher empor, dabei bog und wand er sich unablässig und schwang gleichzeitig wie ein Pendel in weitem Bogen durch die Luft. Kopf und Arme der Kreatur waren ganz und gar von einem schwarzen Stoff verhüllt, in den sie sich hoffnungslos verstrickt hatte. Irgendwo ragte aus dem Bündel eine kurze Schwertklinge heraus.
    Der Körper unseres Gefangenen war dürr und sehnig, die Brüste nicht größer als die eines Knaben, und doch konnte es keinen Zweifel geben – der Mensch, der dort vom Eichenast hing, war eine Frau – und sie war nackt.
    Wir sprangen alle auf. Elgor und Larix wickelten ihr Tauende um einen Ast, traten an die Gefangene heran und rissen ihr das schwarze Tuch von Kopf und Schultern.
    Der Zwerg entwand das Kurzschwert ihrer Hand. »Kaladon, mein Kaladon«, brummelte er vergnügt und untersuchte gleich, ob die Klinge nicht Schaden genommen hatte. Ich blickte in die entsetzten Augen der Frau, die mit den meinen fast auf gleicher Höhe waren. Ihr helles Haar – länger als mein Arm – hing in dicken, verfilzten Strähnen

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