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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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heißt du?«
    »...«
    »Wie ist dein Name?«
    »...«
    Viburn tippte sich mit der Hand auf die Brust und sagte: »Viburn.« Dann deutete er auf jeden von uns und nannte unsere Namen.
    Unsere blonde Gefangene sah ihn aufmerksam an und nickte. Darauf befreite sie ihre Schultern von der Decke, zog das Kinn kurz an ihr Brustbein und schüttelte anschließend den Kopf.
    »Du hast keinen Namen?«
    »Ja.«
    »Du meinst nein? « fragte Larix.
    Die Fremde sah ihn einen Augenblick lang verständnislos an, dann sagte sie: »Nein.«
    Sie blickte auf das Brot. »Ich habe Hunger.« Ihre Stimme klang rauh und krächzend. Wenn sie auch sprechen konnte, so hatte sie doch offenbar sehr lange mit keinem Menschen geredet.
    Elgor zog ihr die Decke wieder über die Schultern und hielt ihr seine Feldflasche an den Mund. »Trink erst etwas!«
    Sie trank sehr ungeschickt. Das Wasser troff ihr aus den Mundwinkeln, wobei es eine helle Spur in dem Schmutz auf Kinn und Hals hinterließ.
    »Danke.«
    Der Krieger nahm mir das Brot aus der Hand und brach ein kleines Stückchen ab. »Iß langsam«, mahnte er.
    Die blonde Diebin aß genauso gierig wie zuvor, aber Elgor reichte ihr kleinere Stücke und verordnete ihr längere Pausen zwischen den Bissen. Diesmal erbrach sie sich nicht. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf. Wieder ruckte sie ungeduldig mit den Schultern, schüttelte die Decke ab, zog das Kinn an die Brust und sagte: »Mädchen.«
    »Du heißt Mädchen?« fragte Elgor.
    »Ja.«
    »Das ist kein richtiger Name.«
    Ich betrachtete den kleinen Busen, der fast genauso schmutzig wie das Gesicht war.
    Junivera griff nach ihr – wohl um ihr wieder die Decke überzustreifen. Die Diebin stieß einen Schreckensschrei aus, wollte sich zur Seite werfen und wäre fast ins Feuer gerollt.
    »Sie wird dir nichts tun ... Mädchen«, sagte Elgor. »Ich verspreche es dir. Wenn wir dich losbinden, bleibst du hier, oder wirst du fortlaufen?«
    »Nein ... Äh, ja ... Nein.«
    »Wirst du fortlaufen?« fragte Viburn.
    »Nein.«
    »Ich bin dagegen«, schimpfte Larix. »Wenn wir sie losbinden ... Wer weiß, vielleicht wird sie uns alle im Schlaf erstechen?«
    »Das glaube ich kaum«, erwiderte ich und deutete auf den Himmel, der im Osten schon eine blaßgraue Färbung zeigte. »Wie soll sie uns im Schlaf erstechen, wo wir doch gar nicht mehr schlafen werden? Oder willst du etwa den Rest des Vormittags unter deinen Decken zubringen?«
    Elgor löste die Fesseln der Diebin. Wir alle standen auf und begannen, unsere Sachen einzusammeln. ›Mädchen‹ stand frierend neben Viburn, der ein Loch in seine Decke schneiden wollte, um sie in einen notdürftigen Überwurf zu verwandeln. Junivera hielt Mädchen den Umhang hin. Die Diebin war überglücklich. Sie warf sich den Mantel über und fingerte an der Verschlußkette. Endlich hatte sie es geschafft und begann mit großen Schritten durchs Lager zu stolzieren. Bei jedem Schritt klaffte das Tuch vorn weit auseinander und enthüllte ihren schmalen ausgemergelten Körper. Mädchen sagte: »Schön.«
    Viburn kam mit seiner Decke. »Laß das. Du wirst uns erfrieren, bevor der Tag zu Ende ist.«
    Mädchen zupfte ihn am Ärmel und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Viburn sah mich fragend an, ich zuckte die Achseln. Dann verschwand er mit ihr in einem Gebüsch. Bald darauf kehrten beide wieder zurück. Mädchen trug jetzt ein kurzes Fellgewand unter dem flatternden Umhang. Viburn hielt meinen Bogen in der Hand. »Sie hatte so eine Art Unterschlupf in der Nähe«, erklärte er, »den hat sie mir gezeigt. Wie ihr seht, besitzt sie sogar ein wunderschönes Fellkleid, das sie kaum selbst hergestellt haben kann. Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann hat sie hat das Fellkleidchen gegen den Umhang eingetauscht, weil sie so schön wie unsere Junivera sein wollte. Sie beobachtet uns schon eine ganze Weile, seit mehr als drei Tagen, wie es scheint. Sie sagt übrigens, wir wären in einem großen Bogen marschiert und kaum mehr als einen Tagesmarsch von der Stelle entfernt, wo sie uns zuerst entdeckt hat.« Der Streuner warf mir einen langen Blick zu – ich beschloß, nicht weiter auf seine letzten Worte einzugehen.
    Wir ließen uns zum Frühstück nieder. Mädchen aß fast so viel wie wir alle zusammen.
     
     
     

 
     
    Und Ulissa fragte sich, ob sie – wenn sie eine Herrscherin wäre – es wohl mit diesen großen Männern und Frauen aus den Büchern aufnehmen könnte. Aber es kam ihr in den Sinn, daß sie als die jüngere der

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