Die Gabe der Amazonen
beiden Prinzessinnen wohl niemals auf den Thron steigen würde. Es sei denn, Yppolita, ihrer geliebten Schwester, stieße ein Unglück zu ...
Der Vormittag ging schnell dahin. Mädchen wies mir die Richtung, und wir marschierten nach Westen. Unser Weg führte uns dauernd bergab, und wir kamen gut voran, so schnell wie niemals zuvor, seit wir die Straße verlassen hatten.
Ich ging wieder an der Spitze, Mädchen hielt sich fast ständig neben mir. Ihre Augen beobachteten unablässig die Umgebung, sie erinnerte mich an eine jagende Katze. Anscheinend befanden wir uns noch immer in ihrem Revier. Irgendwann zog sie mich plötzlich ins Gebüsch. Ich gab den anderen ein Zeichen, und auch meine Gefährten suchten eiligst Deckung. Einen Augenblick später kreuzte ein starkes Rudel Waldwölfe unseren Weg. Ich dankte Mädchen für ihr scharfes Auge und den Waldgeistern dafür, daß sie sich darum gekümmert hatten, daß uns der kräftige Wind entgegenblies und so den Wölfen keine Witterung zutragen konnte.
Als die Zeit für unsere Mittagsrast gekommen war, entdeckte Larix, der einen Blick für solche Dinge hatte, an einem felsigen Hang eine Höhle, nur etwa drei Mannslängen über der Talsohle, auf der wir entlangmarschierten. »Endlich einmal ein Rastplatz, der etwas taugt«, sagte er und kroch auch schon auf allen vieren den teils mit Geröll bedeckten, teils mit Moos bewachsenen Hang hinauf bis zu einer kleinen Plattform, die unterhalb des Höhleneingangs vorsprang wie eine von der Natur geformte Terrasse. Mädchen hatte sich zu Viburn gestellt. Sie zupfte ihn am Ärmel und schüttelte mit bedenklicher Miene den Kopf.
»Mädchen hält nichts von der Höhle«, rief Viburn zu Larix hinauf, der den Höhleneingang, eine Felsspalte von einem Schritt Breite und fast drei Schritt Höhe inzwischen erreicht hatte und aufmerksam ins Dunkle spähte.
»Ach was!« rief Larix zurück. »Das alberne Ding hat genausoviel Ahnung von Bergen und Höhlen, wie es Fett auf den Puppen hat! Ich schaue nur einmal kurz hinein!« Damit war der Zwerg in dem düsteren Loch verschwunden.
Nach einer Weile hörten wir ihn wieder rufen. Seine Stimme schallte dumpf zu uns hinaus: »Alles klar! Seid unbesorgt! Hier ist es richtig gemütlich! Ich muß nur noch ...«
Wir hörten ein paar undeutliche Geräusche, ein Scharren, ein seltsames Knacken ... Plötzlich erschien ein abscheuliches, rotgelb gesprenkeltes Etwas am Höhlenmund, schwankte einen Augenblick, zog dann die acht haarigen Beine an, kollerte den Hang hinab und blieb zuckend vor unseren Füßen liegen: eine Maraskantarantel, ihr Leib war etwa so groß wie ein Kürbis. Im weichen Bauch der Riesenspinne steckte Kaladon, Larix' kurzes Schwert.
Der Sohn des Juglans erschien am Höhleneingang. »Alles klar, liebe Reisegefährten! Ich mußte nur noch dieses übellaunige Vieh an die Luft befördern! Jetzt könnt ihr kommen.«
Während er mit uns sprach, zerrte Larix an einem grauen Stäbchen, das eine Handbreit unterhalb des Bauchnabels in seiner derben Hose steckte. »Es hat mich tatsächlich erwischt, dieses widerliche Ekeltier! Aber das ist gleich vorbei!« Mit diesen Worten kippte er langsam hintenüber.
Junivera hatte immer wieder zu Rondra gebetet, gestern und am Tag zuvor. Ihr Rufen war ohne Wirkung geblieben. Die Geweihte glaubte zu wissen, wie sie die Göttin gnädig stimmen könnte. Sie erklärte uns, daß Rondra nicht in Gnade auf uns blicken könne, solange wir eine nächtliche Schleichkatze und Diebin in unseren Reihen duldeten. Man müsse die Gruppe von solcher Belastung befreien, um Rondras Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
Elgors Miene verfinsterte sich, wann immer die Geweihte auf Mädchen zu sprechen kam. Irgendwann sprang er auf, ging mit großen Schritten zu Junivera hinüber und starrte – sein Gesicht hatte vor Zorn fast die Farbe seiner Haare angenommen – aus engen Augenschlitzen auf sie herab: »Das ist kein guter Rat, Priesterin!« donnerte er. »Ich will ihn nicht mehr hören!«
»Es ist der Rat der Göttin«, erwiderte Junivera mit ruhiger Stimme, »die aus meinem Munde spricht.«
»Wie kannst du das wissen?« herrschte Elgor sie an.
»Was?«
»Daß du im Namen der göttlichen Rondra sprichst? Auch ich glaube an die Göttin und bitte sie um ihren Beistand, wenn ich spüre, daß ich ihre Hilfe brauche. Müßte ich glauben, Rondra finde Gefallen daran, daß man ihr Wehrlose und Arglose zum Opfer bringt, dann wäre sie nicht meine Göttin!«
»Die Göttin
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